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Und ewig seid ihr mein

Und ewig seid ihr mein

Titel: Und ewig seid ihr mein
Autoren: Roman Rausch
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ruhig. Alles würde nach Plan gehen.
    Etwas irritiert, zu solch morgendlicher Stunde auf jemanden zu treffen, stieg sie zu. Er trat an die Rückwand zurück, damit sie genügend Raum für das Gepäck hatte. Ihre Hand hob sich, um die Taste zu drücken, stoppte, als sie sah, dass die Tiefgarage bereits gewählt war.
    Ein kurzer Augenblick der Neugier, dann drehte sie sich zu ihm um. «Ich habe Sie hier noch gar nicht gesehen.»
    Jetzt entschied es sich. Der erste Satz war immer der schwerste. Das vorbereitete Lächeln kam zum Einsatz.
    «Familienbesuch, meine Schwester», antwortete er.
    Sie nickte, schaute an ihm hinunter. «Boss oder Valentino?», fragte sie.
    Er hatte auf die Frage gehofft: «Wie bitte?»
    «Entschuldigen Sie, es ist eine Berufskrankheit. Ich wollte wissen, von welchem Hersteller Ihr Anzug ist.»
    «Keiner von beiden. Es ist eine Maßanfertigung.»
    Sie lächelte anerkennend. Er hatte gewonnen.
    Ping. Tiefgarage.
    Sie griff nach ihren Koffern, wollte aus dem Fahrstuhl gehen, kollidierte jedoch im letzten Moment mit der engen Öffnung.
    «Darf ich Ihnen helfen?», fragte er.
    «Das ist sehr freundlich. Ich stehe nicht weit.»
    Sie traten hinaus, und sie blickte zu dem schwarzen Van neben ihrem Sportwagen. «Wer zum Teufel belegt schon wieder einen Frauenparkplatz?»
    Er schaute nach links oben, wo er gleich in das Blickfeld der Überwachungskamera treten würde. «Das bin ich», entschuldigte er sich. «Meine Schwester hat ihn mir für eine Nacht überlassen. Es wird nicht wieder vorkommen.»
    Sie bereute die Schelte. «Sorry, das ist dann etwas anderes. Wissen Sie, einige würden am liebsten gleich im Fahrstuhl parken.»
    Sie erreichten die Parkplätze. Er achtete darauf, dass er nur von hinten gefilmt wurde. Sein Wagen stand links von ihrem. Er stellte die Koffer ab, sie schloss den Kofferraum auf. Er öffnete die Heckklappe an seinem Wagen. Sie schwang weit nach oben und verstellte den Blick zwischen der Kamera und dem Sportwagen.
    «Vielen Dank für Ihre Hilfe», sagte sie, während sie die Koffer verstaute, «vielleicht kann ich mich mit einem Tee oder einem Glas Wein revanchieren, wenn Sie das nächste Mal Ihre Schwester besuch   …»
    Der Meister drückte das mit Chloroform getränkte Tuch fest auf Mund und Nase. Sie wehrte sich, trat und schlug gegen den Angreifer. Vergebens.
    Er stellte sich auf die Ladefläche und zog sie ins Innere seines Wagens.

2
    «Ich musste sie einfach totmachen. Erst dann war ich frei.»
    Balthasar Levy schloss die Augen, rief sich die Person in Erinnerung, die als Schlächter von Brunsbek die Medien in den vergangenen Monaten beschäftigt hatte.
    Vom kleinen Aufnahmegerät in seiner Hand hörte er den weiteren Verlauf des Interviews, das er in den späten Abendstunden in einem kahlen Raum der Justizvollzugsanstalt geführt hatte.
    Er hatte sich diesem Mann vorsichtig genähert; er durfte ihn nicht verschrecken, wollte von Anfang an sein Vertrauen gewinnen. Die Anfrage an den Inhaftierten und an die Vollzugsanstalt hatte Levy schriftlich formulieren müssen, mit dem Hinweis, Personendaten und weitere Details, die auf den Mörder und seine Taten schließen ließen, für seine Forschungsarbeit zu anonymisieren. Sie sollte seine Eintrittskarte für einen Lehrstuhl in Forensischer Psychiatrie an einer Universität werden.
    Vom Band hörte Levy seine Frage: «Wieso mussten Sie sie töten? Sie hatten sich doch schon befriedigt.»
    Die Bestie in Menschengestalt, die vom äußeren Erscheinungsbild eher einem Schmuseonkel glich – sanfte Augen, winzige Ohren, strubbelige Kurzhaarfrisur, einen Meter siebzig klein, kräftige Hände, ein leicht einfältiges Lächeln   –, war gefasst. Er schien von der ihm entgegengebrachten Aufmerksamkeit sogar geschmeichelt.
    «Ich kann es im Nachhinein gar nicht richtig beschreiben. Da war ein Drang in mir, ein unbeschreiblich starkes Gefühl, das mich hinaus auf die Straße trieb. Ich fuhr stundenlang herum, konnte jedoch niemanden finden, der meiner Vorstellung entsprach. Ich wollte schon wieder nach Hause fahren. Dann sah ich sie. Auf einem Fahrrad kam sie mir entgegen. Ich erkannte sofort, dass die passte. Ich gab ihr noch eine Chance. Wenn sie in die Seitenstraße abbog, dann würde ich sie verschonen   …»
    «Doch sie kam Ihnen entgegen. Sie bog nicht ab.»
    «Ich wusste, nein, ich spürte sofort, dass
er
sie mir geschickt hat.»
    «Er? Wen meinen Sie damit?»
    «Ich darf seinen Namen nicht aussprechen. Aber er steckt in mir,
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