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und du bist weg

und du bist weg

Titel: und du bist weg
Autoren: Theo Pointner
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niemand erkennen, was auf der Rückbank vor sich ging oder ob überhaupt jemand auf der Rückbank saß.
    »Es muss ja nicht jeder sehen, dass wir gemeinsam durch die Stadt fahren«, erklärte sein Chauffeur. »Einen Mann Ihrer sozialen Schicht sieht man, glaube ich, nicht allzu häufig in einem Dreihunderter. Und ich möchte nicht auffallen.«
    Lindemann schluckte die Beleidigung wie gerade den Lambrusco und krabbelte auf die hintere Sitzbank. Vorsorglich hatte jemand die Polster mit einer widerstandsfähigen Plastikfolie abgedeckt. Wahrscheinlich wollte der Kerl kein Ungeziefer in seiner Kutsche haben. Lindemann rümpfte die Nase, sparte sich aber einen Kommentar.
    Sobald beide im Wagen saßen, gab der Kerl hinter dem Steuer Gas. Als er den Ostring erreichte, setzte er den Blinker nach rechts und dirigierte den Schlitten Richtung Hauptbahnhof.
    »Ein feines Auto haben Sie da, Meister. War bestimmt teuer«, versuchte Lindemann ein wenig Konversation.
    »Firmenwagen«, kam die einsilbige Antwort.
    »Wo fahren wir denn jetz hin?«
    »Warten Sie es ab. Möchten Sie vielleicht eine Zigarette?«
    Überrascht über so viel Aufmerksamkeit hätte Lindemann beinahe ja gesagt. »Nee, danke, Meister, aber ich vertrag dat nich. Wie komm ich denn nachher wieder zurück? Von da oben is dat ein ganz schönes Stück zu Fuß.«
    »Ich bringe Sie wieder zurück«, erklärte der Anzugmann. »Keine Sorge, wird alles glatt gehen.«
    Lindemann nickte und sah sich aufmerksam das Innere der Nobelkutsche an. Er hatte noch nie in einem Benz gesessen, selbst früher nicht, als er noch Arbeit und ein geregeltes Leben hatte. Sein Schwager hatte mal einen Ford Taunus gefahren, aber im Vergleich zu dem Schlitten hier war das ’ne richtige Proletenschaukel gewesen.
    »Sagen Se mal, Meister, wat is dat denn für ein Kram, den ich für Sie beseitigen soll?«.
    »Nichts, was Sie interessieren könnte.«
    »Ich mein ja nur, ich mach nich gerne was Ungesetzliches. Die Bullen ham unsereins sowieso aufm Kieker. Und bei dat Risiko, wat ich jetz eingeh.«
    Der Benz nahm am Hauptbahnhof die Kurve in die Wittener, wobei der Fahrer einen amüsierten Blick in den Rückspiegel warf. »Wie meinen Sie das?«
    Lindemann wurde heiß. »Wie ich schon sachte, wenn Se so heiß da drauf sind, dass Ihnen einer das Zeuch vom Hals schafft, muss dat ganz schön brenzlich für Sie sein. Ich mein, da müssten doch mehr als fünfhundert für mich drin sein.«
    Die Reaktion des Fahrers überraschte Lindemann völlig. Am ehesten hätte er mit einem Wutausbruch gerechnet, aber der Kerl hinter dem Steuer lachte schallend.
    »Sie sind mir vielleicht eine Marke«, meinte er dann, mühsam beherrscht. »Erst ja sagen und dann, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit, nachfordern.«
    »Ich denk mir doch nur, das geht für Ihren Laden bestimmt um ’nen Haufen Kohle«, erklärte Lindemann entschuldigend.
    »Schon in Ordnung«, grinste der andere. »An was haben Sie denn gedacht?«
    »Wie wär et denn mit dem Doppelten?«, fragte Lindemann verhalten.
    Der Fahrer klatschte sich vergnügt auf die Oberschenkel. »Sie sind richtig«, erklärte er. »Sie gefallen mir. Einverstanden, wenn Sie fertig sind, haben Sie sich den Riesen verdient. Aber noch einen Nachschlag gibt es nicht, klar?«
    Lindemann ballte seine Hände zu Fäusten und zog seine Plastiktüten neben sich auf den Sitz. »Einverstanden. Und wenn Sie wieder mal ’n Kerl zum Aufräumen brauchen, ich bin meistens inner Stadt zu finden.«
    Gleichzeitig zog er den Lambrusco auf den Schoß und schraubte die Kappe ab. Im ersten Moment wollte er dem Fahrer ebenfalls einen Schluck anbieten, aber der würde höchstens verächtlich die Nase rümpfen. Wein für unter ’nem Zwanziger pro Flasche war für den doch sicher ungenießbar.
    Lindemann fläzte sich auf den plastikverhüllten Polstern, befühlte ehrfürchtig die edlen Bezugstoffe der Innenverkleidung und genoss das sanfte Schaukeln, wenn der Wagen fast unmerklich eine der wenigen Kurven nahm.
    Der Fahrer setzte den Blinker, als der Hinweis auf ein Gewerbegebiet auftauchte. Neugierig starrte Lindemann durch die abgedunkelten Seitenfenster. In dieser Ecke war er zuletzt kurz vor seiner Entlassung gewesen, seitdem war hier ein komplett neues Geschäftsviertel entstanden. Im Vorbeifahren erkannte er eine Videothek, einen Möbelhändler, einen Supermarkt und etliche weitere Geschäfte. Der Benz durchquerte fast das komplette Viertel, ehe er auf einen einsam vor sich hin dösenden
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