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und du bist weg

und du bist weg

Titel: und du bist weg
Autoren: Theo Pointner
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zusammengebissenen Zähnen zu Thalbach hinüberschaute. Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen.
    »Setz deinen Arsch in Bewegung«, röhrte der Behelmte. »Hast du die Schlüssel für die Karre?«
    Eulenstein nickte.
    »Dann steig ein. Du fährst.«
    Katharina stöhnte auf. Der Nachmittag entwickelte sich zu einem Albtraum.
    Ihre Kollegin starrte den Riesen herausfordernd an. Dieser krallte seine Linke in ihren Haarschopf und drückte ihr seine Pistole an die Schläfe. »Mädchen, wenn ich dir sach, du sollst rüberkommen, dann tust du das auch. Los jetzt, keine Zicken. Aber zuerst werft eure Knarren weg.«
    Folgsam entledigten sich die Polizistinnen ihrer Waffen, dann zog der Räuber Eulenstein Schritt für Schritt im Rückwärtsgang zu dem Vectra. Katharina ließ er dabei keinen Moment aus den Augen. Gerade als der Mann mit dem Hintern an den Kotflügel des Opel knallte, tauchte mit quietschenden Reifen an der Zufahrt zur Tankstelle ein grün-weißer Streifenwagen auf.
    Mit einem Aufschrei riss der Räuber Eulenstein herum und drückte, ohne zu überlegen, ab. Die Kugel bohrte sich in die Motorhaube der Wanne, die schleudernd zum Stehen kam. Gleichzeitig flogen die Türen auf, hinter denen die Besatzung in Deckung abtauchte.
    Katharina handelte sofort. Als der Räuber ihr mit Eulenstein den Rücken zudrehte, hechtete sie nach ihrer Waffe, die nur zwei, drei Meter von ihr entfernt lag. Die Kommissarin entsicherte die Pistole und verkeilte die linke Hand zur Verstärkung am rechten Handgelenk. »Waffe weg!«
    Die nächsten Sekunden dauerten endlos. Der Behelmte umklammerte Eulenstein mit der Linken und hielt sie als Schutzschild vor sich, während die Streifenwagenbesatzung in dem Zwischenraum von Tür und Chassis auf ihn anlegte. Thalbach registrierte plötzlich, dass der Arm mit der Pistole zu ihr herumschwenkte und auf sie zielte. Bevor der Räuber abdrücken konnte, zog sie selbst den Abzug durch.
    Unmittelbar nach dem ohrenbetäubenden Knall wusste sie, dass sie getroffen hatte. Erst zitterten die Finger, die die auf sie gerichtete Pistole festhielten, dann polterte die Knarre auf den Boden. Schließlich griff sich der Behelmte an die Brust, stolperte gegen Eulenstein und fiel, wobei er die Polizistin mit sich auf den Boden riss.
    Die Streifenhörnchen trauten sich zögernd aus ihrer Deckung. Mit entsicherten Waffen näherten sie sich langsam den am Boden liegenden Gestalten. Katharina setzte sich ebenfalls in Bewegung.
    »Dagmar, alles in Ordnung?«, rief sie mit flattriger Stimme.
    Von den beiden Körpern am Boden erfolgte keine Reaktion. Katharina vergaß ihre Vorsicht und legte die letzten drei, vier Meter im Laufschritt zurück. Mit einem Kick beförderte sie die Waffe des Räubers außer Reichweite, aber das war überflüssig. Unter dem Visier starrten die Augen des Täters weit aufgerissen ins Leere.
    Keuchend ging Katharina neben Eulenstein in die Hocke. Die Kollegin lag auf dem Bauch, das Gesicht leicht nach links gewandt. Auf dem Asphalt breitete sich langsam eine schmierige Lache aus. Einen winzigen Moment hatte Katharina die Hoffnung, dass es sich dabei um Öl handelte, aber noch bevor sie Eulenstein an den Schultern gepackt und auf den Rücken gedreht hatte, wusste sie, was los war. Das hässliche, blutverschmierte Loch an der rechten Schläfe nahm sie wie durch einen Schleier wahr.

5
    Erwin Lindemann hatte Glück. Hinter dem Verkaufsstand für die Brat- und Brühwürstchen stand die gemütliche Dicke, die schon mal fünfe gerade sein ließ. Bisher hatte sie ihm für die Reste vom Grill noch nie Geld abgenommen.
    Ganz anders als dieses junge Ding, bei dem er immer erst bitten und betteln musste, um nach Geschäftsschluss die verkohlten oder aufgeplatzten, übrig gebliebenen Lebensmittel abstauben zu können.
    Natürlich bekam er nicht alles, was sich noch auf dem Grill oder im heißen Wasser befand. Aber zumindest konnte er kostenlos eine warme Mahlzeit einnehmen, bevor er sich auf seinen Stammplatz, einen Warmluftabzugsschacht eines nahe gelegenen Krankenhauses, zurückzog. Tagsüber hielt er sich höchstens zum Betteln in der Haupteinkaufsstraße auf, aber die Zeiten, in denen die Passanten bereitwillig ihr Kleingeld in seinen sauber ausgespülten Plastikbecher klimpern ließen, waren lange vorbei. Kein Wunder, bei dem Berg an Arbeitslosen.
    Er selbst war schon seit fünfundzwanzig Jahren ohne Job. Dabei hatte er früher mal eine richtige Ausbildung gemacht, Schriftsetzer hatte er gelernt.
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