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und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe
Autoren: Nancy Atherton
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Rest meines Lebens hier gewohnt. Der Raum war genauso elegant ausgestattet wie die Eingangshalle und mehr als groß genug, um alle meine Besitztümer aufzunehmen. So etwas hatte ich noch nie gesehen: eine Duschkabine und eine Badewanne mit Whirlpool in grauem Marmor, jede Menge Schrankraum, ein Liegesessel aus Leder, ein Massagetisch, mannshohe Spiegel, Telefon, Stereoanlage, Fernseher mit Vi-deoanlage – einfach alles. Aber am schönsten war der Teppich: Er war so dick, dass sich meine Zehen fast darin verloren. Ich nahm mir Zeit mit dem Umziehen. Ich genoss es, in dieser Umgebung zu sein, die offensichtlich nicht nur dem körperlichen Wohlbefinden diente, sondern auch dem seelischen.
    Als ich fertig war, ging ich auf Zehenspitzen ins Büro zurück.
    Mein Gastgeber saß auf der Schreibtischkante.
    Als er mich sah, sprang er herunter.

    »Socken«, sagte er.
    »Wie bitte?«
    »Socken – ich habe trockene Socken vergessen.
    Hier, nehmen Sie diese und geben Sie mir Ihre nassen Sachen. Ich bin gleich zurück.« Wir tauschten, und er verschwand abermals. Der Mann war ein lebender Zaubertrick – gerade war er noch da, im nächsten Moment weg.
    Ich zog die Socken an und ging noch einmal in den Umkleideraum, um mein Ensemble zu betrachten. Es war ungefähr, wie ich es erwartet hatte, wenn man bedenkt, dass der Besitzer der Sachen fast zehn Zentimeter größer und um einiges schwerer war als ich. Die Trainingshose war geräumig genug für zwei von meiner Größe, das Sweatshirt mit dem Wappen von Harvard reichte mir bis über den Po, und die Fersen der Socken befanden sich irgendwo oberhalb meiner Knöchel. Meine kurzen dunklen Locken kräuselten sich, während die Haare allmählich trockneten, und vervollständigten das Bild. Nicht schlecht, falls man auf den Typ »Armes Waisenkind« stand.
    »Fühlen Sie sich besser?«, fragte die inzwischen vertraute Stimme. Vor Schreck sprang ich auf.
    Mein Gastgeber sah durch die offene Tür herein.
    »Ja, vielen Dank«, antwortete ich. »Ich bin wirklich sehr froh über die trockenen Sachen, aber …
    könnten Sie mir vielleicht sagen, wer Sie sind?«

    »Hoppla! Das tut mir wirklich Leid, aber Sie sahen so verdammt erfroren und unglücklich aus, dass ich dachte, das Vorstellen könnte warten.« Er lachte leise. »Ich wette, Sie haben mich für den But-ler gehalten …« Sein Lachen ging in ein Husten über, als er mein Gesicht sah, das ihm deutlich zeigte, dass ich nicht die leiseste Ahnung hatte, was ich denken sollte.
    »Ich bin Bill Willis«, sagte er schnell. »Nicht William, das ist mein Vater. Wir sind Partner dieser Firma. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich Sie Lori nenne?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Großartig«, sagte er. »Wunderbar. Ich kann Ihnen kaum sagen, wie froh … Aber bitte, kommen Sie in das Büro nebenan und setzen Sie sich und trinken Sie Ihren Tee. Ich habe Vater Bescheid gesagt, dass Sie hier sind, und er wird gleich kommen.
    Er freut sich ebenfalls sehr, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben. Wir waren beide so gespannt, Sie kennen zu lernen, Sie können es sich kaum vorstellen.« Dieser unerwartete Ausbruch von Begeisterung schwappte wie eine Welle über mich. Ich muss etwas geschwankt haben, denn er war sofort an meiner Seite.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Mir geht’s gut«, sagte ich und wartete, dass der Raum aufhörte, sich zu drehen. Das war schon ein paar Mal vorgekommen, wenn ich nichts gegessen hatte, aber es war peinlich, dass es mir ausgerechnet jetzt wieder passieren musste, vor diesem reichen Rechtsanwalt und Harvard-Absolventen. Sehr aufrecht ging ich an ihm vorbei in den Büroraum nebenan und setzte mich in einen der beiden hohen Ledersessel, die dem Schreibtisch gegenüber standen. »Mir geht es … sehr gut.«
    »Wenn Sie meinen«, sagte er zweifelnd, indem er an den Schreibtisch trat, wo ein silbernes Teeservice stand. Er goss Tee in eine Tasse und brachte sie mir. »Vielleicht sollte ich auch etwas zu essen bestellen.« Er griff nach dem Telefon, aber ich hob abwehrend die Hand.
    »Bitte, nicht meinetwegen«, sagte ich in dem Versuch, einen letzten Rest Selbstrespekt zu wahren.
    »Es ist wirklich nicht nötig. Ich sagte doch, mir geht es gut. Wirklich.«
    Nachdenklich strich er sich über den Bart, dann nickte er kurz. »Okay. Ganz wie Sie wünschen.
    Aber dann trinken Sie wenigstens den Tee. Mein Vater soll nicht denken, dass ich unhöflich gewesen bin, er muss jeden Moment hier sein.«

    Das Allheilmittel tat, wie immer,
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