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und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe
Autoren: Nancy Atherton
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computergestützter Routine. Ich fragte mich, ob die allerbesten Anwaltskanzleien vielleicht bis heute immer noch Schreiber beschäftigten, nur um die Korrespondenz mit den allerwichtigsten Klienten handschriftlich zu führen und damit ihre besondere Sorgfalt unter Beweis zu stellen.
    Bestimmte Satzteile schienen hervorzuspringen, als ob sie fett gedruckt seien. Miss Dimity Westwood. Kein Termin notwendig. William Willis.
    Und, was am interessantesten war, diese »Angelegenheit, die in Ihrem Interesse ist«, über die zu sprechen sei. Es kam mir seltsamer und seltsamer vor. Ich sah auf meine Uhr, sah nochmals auf den Brief und sah dann die Schranktür an.
    »Ach was, Reginald«, sagte ich. »Schließlich habe ich heute Nachmittag ja nichts vor. Und, wie Tante Dimity gesagt hätte, es ist ein Abenteuer.«

    Wie es bei vielen Abenteuern der Fall ist, fing auch dieses nicht so an, wie ich es vorgehabt hatte. Die Anwaltskanzlei war einige Straßen südlich des Postplatzes, und ich hatte mir gerade die Busverbindung dorthin überlegt. Es war nicht schlimm – einmal umsteigen und eine kurze Strecke zu Fuß, insgesamt nicht mehr als eine Stunde, wunderbar.
    Aber natürlich hatte ich noch nicht aus dem Fenster gesehen.
    Ich weiß nicht, was an einem Schneesturm im April das Schlimmere ist: die Tatsache, dass der Schnee so nass und matschig ist, oder die Tatsache, dass es schon April ist. Kein Wunder, dass man ihn den schrecklichsten Monat nennt. Für die Busfahrt und die kurze Strecke zu Fuß brauchte ich zwei Stunden, in denen ich mich durch schneidenden Wind, pras-selnden Hagel und knöcheltiefen Schneematsch kämpfte. Im zweiten Bus funktionierte außerdem die Heizung nicht. Hätte ich über genügend warme Winterkleidung verfügt, dann hätte ich alle Widrig-keiten nur achselzuckend zur Kenntnis genommen, aber ich hatte gerade lange genug in Los Angeles gelebt, um mich meiner warmen Pullover, meiner Daunenjacke und Schneestiefel zu entledigen, und bisher noch nicht genug Geld verdient, um sie zu ersetzen. Meist machte mir das nichts aus, denn ich hielt mich absichtlich so wenig wie möglich im Freien auf.
    Aber diesmal machte es mir etwas aus. Meine dünne Windjacke und meine Turnschuhe waren dem Wetter nicht gewachsen, und als ich Willis & Willis endlich gefunden hatte, war ich bis auf die Haut durchnässt, meine Wangen waren vom Wind blau gefroren, und ich zitterte vor Kälte. Wenn ich nicht Angst gehabt hätte, an Unterkühlung zu sterben, hätte ich es nicht gewagt, wie ein Häufchen Elend die Kanzlei zu betreten.
    Was für eine Tür. Man konnte sie nicht gleich sehen, denn zuerst musste man das Tor passieren.
    Das Tor in der Mauer. Die Mauer, die das Grundstück vom Bürgersteig abgrenzte und eine Messing-platte trug, auf der Name und Adresse in den gleichen Lettern wie auf dem Briefkopf eingraviert waren. Ich vergewisserte mich mehrere Male, dass dies auch die richtige Adresse war. Dann drückte ich auf den Klingelknopf, wurde von der Überwachungs-kamera erfasst und tatsächlich, aus welchem Grund auch immer, öffnete sich das Tor, und ich wurde eingelassen. Erst auf halbem Wege sah ich die Haustür.
    Sie war das genaue Gegenstück zu dem eleganten Briefpapier: massiv und auf Hochglanz poliert, mit einem Löwenkopf als Türklopfer, der im treibenden Schnee matt glänzte. Der Sturm schien einen Augenblick den Atem anzuhalten, sodass ich diesen goldenen Löwen bewundern konnte und das Haus, über das er wachte.

3
    Es war klar, dass die Anwaltskanzlei Willis
    & Willis für Glas und Edelstahl genauso wenig Verwendung hatte wie für Laserdrucker. Das hier war kein Büro, es war ein Herrenhaus. Eine edle, alte Villa, umgeben und überragt, jedoch nicht im Geringsten unterdrückt, von den Bürotürmen auf allen Seiten. Weiß der Himmel, wie dieses Haus hierher gekommen war, und erst recht, wie es hier überlebt hatte. Aber es war hier – eine Oase voller Charme und Würde inmitten einer Wüste aus Stahlbeton.
    Na toll, dachte ich. Willis & Willis und das kleine Streichholzmädchen treffen aufeinander. Ich stolperte die Stufen hinauf und ergriff den glänzenden Löwenkopf. Dabei war mir völlig klar, dass ich aussah wie etwas, das nicht einmal eine selbstbe-wusste Katze ins Haus zerren würde.
    Nach zweimaligem Klopfen erschien ein etwas zerknittert aussehender Mann an der Tür. Er war etwa Mitte dreißig, hatte einen kurzen, sauber ge-stutzten Bart und trug ein ausgebeultes Tweedjackett und Kordhosen. Wenn ich einen
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