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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden
Autoren: Deon Meyer
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    |7| 05:36 – 07:00
    |9| 1
    Um 05:36 rannte sie den steilen Hang des Leeukops hinauf. In schnellem Takt knirschten ihre Laufschuhe auf dem Kies des breiten
     Fußwegs.
    Zu diesem Zeitpunkt, als die frühen Sonnenstrahlen sie wie ein Suchscheinwerfer am Berghang einfingen, bot sie ein Bild sorgloser
     Anmut. Von hinten betrachtet, tanzte ihr dunkler geflochtener Zopf auf dem kleinen Rucksack, und ihr zartblaues T-Shirt hob
     sich leuchtend von ihrem tiefbraunen Nacken ab. Die langen Beine, die aus den Jeansshorts ragten, bewegten sich federnd und
     rhythmisch. Alles an ihr strahlte Energie und athletische Jugendlichkeit aus. Sie wirkte lebenslustig, gesund und zielstrebig.
    Bis sie plötzlich stehen blieb und einen Blick über die linke Schulter warf. In diesem Moment zerstob die Illusion, denn aus
     ihrem Gesicht sprachen Angst und Erschöpfung.
    Sie hatte keinen Blick für die beeindruckende Schönheit der Stadt im weichen Licht der aufgehenden Sonne. Ihre Augen suchten
     wild und panisch nach einer Bewegung in dem hohen
Fynbos
hinter ihr. Sie wusste, dass sie ihr auf den Fersen waren, aber nicht, wie dicht. Sie atmete schnell und flach – vor Anspannung,
     Schrecken und Furcht. Es war das Adrenalin, ihr übermächtiger Lebenswille, der sie zwang weiterzulaufen, immer weiter, trotz
     ihrer müden Glieder, des Brennens in der Brust, der Dumpfheit nach einer schlaflosen Nacht und der Verlorenheit in einer unbekannten
     Stadt, einem fremden Land, einem unnahbaren Kontinent.
    Vor ihr gabelte sich der Weg. Ihr Instinkt trieb sie nach rechts, höher hinauf, weiter auf die Felskuppe des Leeukops zu.
     Sie dachte nicht nach, sie hatte keine Strategie, sie lief blindlings. Ihre schlanken Arme schienen sie anzutreiben wie die
     Schubstangen einer Dampfmaschine.
     
    |10| Kripo-Inspekteur Bennie Griessel schlief.
    Er träumte, er steuere einen großen Tanklastwagen über die N1 auf der Gefällestrecke zwischen Plattekloof und Parow, zu schnell,
     ein wenig unkontrolliert. Als sein Handy klingelte, reichte schon der erste schrille Ton, um ein flüchtiges Gefühl der Erleichterung
     über die Rückkehr in die Realität in ihm auszulösen. Er öffnete die Augen und sah auf den Radiowecker. Es war 05:37.
    Er schwang die Beine über die Kante des schmalen Bettes. Der Traum war bereits vergessen. Für einen Augenblick blieb er auf
     dem Bettrand sitzen, reglos, wie vor einem Abgrund. Dann stand er auf, ging steif und verschlafen zur Tür und stolperte die
     Holztreppe hinunter ins Wohnzimmer, wo er das Handy am Abend zuvor hatte liegen lassen. Seine dunklen wirren Haare schrien
     nach einem Friseur, und er trug nichts als eine ausgeblichene Rugbyhose. Sein einziger Gedanke war, dass ein Anruf um diese
     Zeit mit Sicherheit nichts Gutes verhieß.
    Die Nummer auf dem Display war ihm unbekannt.
    »Griessel.« Seine Stimme verriet ihn. Heiser brachte er die ersten Worte des Tages hervor.
    »Hi, Bennie, ich bin’s, Vusi. Tut mir leid, dass ich dich wecken muss.«
    Griessel hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Sein Kopf war voller Watte. »Schon okay.«
    »Wir haben … eine Leiche.«
    »Wo?«
    »Bei St. Martini, der lutherischen Kirche oben in der Langstraat.«
    »
In
der Kirche?«
    »Nein. Die Frau liegt neben der Kirche.«
    »Bin sofort da.«
    Griessel beendete die Verbindung und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.
    Die Frau
hatte Inspekteur Vusumuzi Ndabeni gesagt.
    Bestimmt eine Stadtstreicherin, eine der obdachlosen
bergies
, die am Fuße und an den Hängen des Tafelbergs lebten. Eine, die zu viel von Gott weiß was getrunken hatte.
    Er legte das Handy neben seinen neuen gebrauchten Laptop.
    Dann wandte er sich um, immer noch nicht ganz wach. Beim |11| Umdrehen stieß er gegen das Vorderrad seines Fahrrads, das an seinem Leihhaus-Sofa lehnte, und konnte es gerade noch rechtzeitig
     auffangen, bevor es umfiel. Dann stieg er die Holztreppe wieder hinauf. Das Fahrrad erinnerte ihn flüchtig an seine finanzielle
     Misere, aber er schob diesen Gedanken beiseite.
    Im Schlafzimmer zog er die kurze Hose aus. Ein verräterischer Moschusgeruch stieg ihm vom Unterleib aus in die Nase.
    Verdammt!
    Das Schuldbewusstsein traf ihn mit voller Wucht. Seine Gewissensbisse und die Erinnerungen an den vorigen Abend verdrängten
     die letzte Spur von Trägheit aus seinem Kopf.
    Was war nur in ihn gefahren?
    Er warf die Hose in einem vorwurfsvollen Bogen in Richtung Bett und ging ins Badezimmer.
    Missgelaunt klappte Griessel den
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