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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden
Autoren: Deon Meyer
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zu dem traumhaften, klaren Morgenhimmel. Es war fast windstill, nur eine leichte Brise trug Meeresgerüche
     den Berg hinauf. Das war keine Zeit zum Sterben.
    Vusi stand neben ihr, zusammen mit Dick und Doof von der Spurensicherung, einem Polizeifotografen und drei Uniformierten.
     Hinter Griessels Rücken, in der schmalen Nebenstraße der Langstraat, warteten weitere uniformierte Kollegen, mindestens vier,
     in den weißen Hemden und schwarzen Epauletten der Metro-Polizei, alle gleichermaßen von ihrer Wichtigkeit durchdrungen. Zusammen
     mit einer Gruppe Schaulustiger lehnten sie mit den Armen auf dem Zaun und betrachteten die reglose Gestalt.
    |14| »Morgen, Bennie«, sagte Vusi Ndabeni in seiner ruhigen Art. Er war mittelgroß, ebenso wie Griessel, wirkte aber kleiner: schmal
     und korrekt, mit scharfen Bügelfalten in der schwarzen Hose, schneeweißem Hemd mit Krawatte und polierten Schuhen. Sein wolliges
     Haar war kurz und eckig geschnitten, der Spitzbart tadellos gestutzt. Er trug dünne Gummihandschuhe. Griessel war ihm am vergangenen
     Donnerstag zum ersten Mal begegnet, ebenso wie den anderen fünf Fahndern, für die er ab jetzt ein Jahr lang den Mentor spielen
     sollte. Dieser Begriff stammte von John Afrika, dem Distrikt-Kommissaris »Fahndung und Verbrechensaufklärung«. Als Bennie
     allein in dessen Büro in der Alfredstraat zurückgeblieben war, hatte er erklärt: »Wir sitzen in der Scheiße, Bennie. Wir haben
     den Lotz-Fall vermasselt, und jetzt behauptet die Führungsebene, wir ließen am Kap die Zügel schleifen, und fordert, wir sollten
     uns mal zusammenreißen. Aber was soll ich tun? Ich verliere meine besten Leute, und die neuen wissen noch nichts, die sind
     noch völlig ungeschliffen. Kann ich auf dich zählen, Bennie?«
    Eine Stunde später, als ihnen im großen Konferenzraum des Kommissaris sechs der besten »neuen« Leute mit unbewegter Miene
     auf grauen Behördenstühlen gegenübersaßen, formulierte John Afrika sein Anliegen ein wenig dezenter: »Bennie wird euer Mentor
     sein. Er arbeitet seit fünfundzwanzig Jahren bei der Polizei. Er war schon bei der ehemaligen Mordkommission, als die meisten
     von euch noch zur Grundschule gegangen sind. Was er schon vergessen hat, müsst ihr noch lernen. Aber damit ihr mich richtig
     versteht: Er ist nicht dazu da, euch die Arbeit abzunehmen. Er ist euer Berater, der euch hilft und für Fragen zur Verfügung
     steht. Euer Mentor. Laut Wörterbuch ist ein Mentor …«, und an dieser Stelle zog der Kommissaris seine Notizen zu Rate, »…
ein kluger und vertrauenswürdiger Ratgeber oder Lehrer
. Deswegen habe ich ihn zur provinzialen Sondereinheit versetzt. Bennie kennt sich aus, und ihr könnt ihm vertrauen, denn
     ich vertraue ihm. Ständig geht Wissen durch den Verlust altgedienter Kollegen verloren. Viele Neuzugänge werden auf die Bevölkerung
     losgelassen, ohne die geringste Erfahrung zu haben. Dabei brauchen wir nicht jedes Mal das Rad neu zu erfinden. |15| Lernt von Bennie! Ihr seid eine handverlesene Truppe – es gibt nicht viele, denen eine solche Chance geboten wird.«
    Griessel sah in ihre Gesichter. Vier athletische schwarze Männer, eine untersetzte schwarze Frau und ein breitschultriger
     farbiger Ermittler, alle knapp über dreißig. Überschwängliche Dankbarkeit spiegelte sich nicht in ihren Mienen wider, außer
     vielleicht in der von Vusumuzi (»Alle nennen mich Vusi.«) Ndabeni. Der farbige Ermittler, Fransman Dekker, musterte ihn sogar
     mit unverhohlener Feindseligkeit. Doch Griessel hatte sich bereits an die Unterströmungen in der SAPS, der neuen südafrikanischen
     Polizei gewöhnt. Als er so neben John Afrika stand, sagte er sich, dass er dankbar sein müsse, nach der Auflösung der früheren
     Mordkommission noch einen Job zu haben. Und dass er und Mat Joubert, sein ehemaliger Vorgesetzter, nicht auf irgendwelche
     unbedeutenden Wachen abgeschoben worden waren wie die meisten ihrer Kollegen. Diese verdammten Umstrukturierungen, die so
     wenig Neues brachten. Es war wieder genauso wie dreißig Jahre zuvor: Kripo-Ermittler mussten in kleinen Wachen Dienst tun,
     denn so handhabte man das heutzutage im Ausland, also musste die SAPS es nachäffen. Nein, er hatte wenigstens noch Arbeit,
     und Joubert hatte ihn sogar für eine Beförderung vorgeschlagen. Wenn sein Glück anhielt, wenn seine Vorgesetzten über seine
     Sauferei, über die Gerechtigkeitsquoten für ehemals benachteiligte Bevölkerungsgruppen, über die
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