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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden
Autoren: Deon Meyer
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Toilettendeckel hoch, zielte und pinkelte.
     
    Als sie den asphaltierten Seinheuwelweg erreichte, erblickte sie die Frau und den Hund, hundert Meter links von ihr. Sie wollte
     laut rufen, ihre Lippen formten zwei Wörter, aber ihre Stimme ging im Keuchen ihres Atems unter.
    Sie rannte auf die Frau und das Tier zu. Der Hund war groß, ein Ridgeback. Die Frau war um die sechzig, eine Weiße. Sie trug
     einen großen rosa Sonnenhut, einen Wanderstock und einen kleinen Rucksack.
    Der Hund wurde plötzlich unruhig. Vielleicht roch er ihre Angst, vielleicht spürte er ihre Panik. Ihre Sohlen klatschten auf
     den Teer, während sie ihren Lauf verlangsamte. Sie blieb stehen, drei Meter von der Hundebesitzerin entfernt.
    »Helfen Sie mir!«, bat die junge Frau auf Englisch mit starkem amerikanischen Akzent.
    »Was ist denn los?« Besorgt blickte die Frau sie an und wich einen Schritt zurück. Der Hund knurrte und zerrte an der Leine,
     strebte auf die junge Joggerin zu.
    »Die wollen mich umbringen!«
    Die Frau sah sich erschrocken um. »Aber hier ist doch niemand.«
    |12| Die Läuferin blickte über die Schulter. »Sie sind hinter mir her!«
    Dann musterte sie die Frau und den Hund und erkannte, dass ihre Mühe vergeblich war. Sie konnten ihr nicht helfen. Nicht hier
     in der Offenheit des Berghangs, nicht gegen ihre Verfolger. Sie brachte die Frau nur in Gefahr.
    »Rufen Sie die Polizei an. Bitte! Benachrichtigen Sie einfach die Polizei«, flehte sie und setzte erneut zum Laufen an, langsam
     zunächst, gegen den Widerstand ihres Körpers. Der Hund sprang mit einem Satz nach vorn und bellte. Die Frau zog an der Leine.
    »Aber warum denn?«
    »Bitte!«, wiederholte sie und schleppte sich weiter den Asphaltweg hinauf in Richtung Tafelberg. »Bitte, rufen Sie bei der
     Polizei an.«
    Als sie etwa siebzig Schritte entfernt war, drehte sie sich noch einmal um. Die Frau stand immer noch genauso da wie eben,
     reglos und ein wenig verwirrt.
     
    Bennie Griessel zog ab und fragte sich, warum er das Schlamassel gestern Abend nicht hatte kommen sehen. Er war nicht darauf
     aus gewesen, es war einfach passiert. Mein Gott, was machte er sich denn solche Vorwürfe, er war doch auch nur ein Mensch!
    Aber er war verheiratet.
    Wenn man das eine Ehe nennen konnte. Getrennt von Tisch, Bett und Wohnung. Nein, verdammt, Anna konnte nicht alles haben.
     Sie konnte ihn nicht aus seinem eigenen Haus werfen und erwarten, dass er zwei Haushalte unterhielt, und dann auch noch verlangen,
     dass er sechs Monate lang nüchtern und enthaltsam lebte.
    Wenigstens war er nüchtern. Schon seit einhundertsechsundfünfzig Tagen. Das bedeutete einen Kampf von über fünf Monaten gegen
     die Flasche, Tag für Tag, Stunde um Stunde, bis jetzt.
    Auf keinen Fall durfte Anna das mit gestern Abend erfahren. Nicht jetzt. Nur knapp einen Monat vor dem Ende seiner Verbannung,
     der Strafe für seine Sauferei. Wenn Anna es erfahren würde, wäre er geliefert, und all der Kummer und Ärger wären umsonst
     gewesen.
    Er seufzte und stellte sich vor den Spiegelschrank, um sich die |13| Zähne zu putzen. Er betrachtete sich. Die grauen Schläfen, die Falten um seine dunklen Augen, die slawischen Gesichtszüge.
     Ein Schönling war er nie gewesen.
    Er öffnete den Schrank, holte Zahnbürste und Zahnpasta heraus.
    Was hatte sie in ihm gesehen, diese Bella? Irgendwann gestern Abend hatte er sich gefragt, ob sie womöglich aus Mitleid mit
     ihm ins Bett ging, aber er war zu erregt gewesen und zu verdammt dankbar für ihre sanfte Stimme, ihre großen Brüste und ihren
     Mund. Mein Gott, dieser Mund! Münder machten ihn an, und genau da lag die Wurzel des Übels. Nein, alles hatte mit Lize Beekman
     angefangen, aber das sollte er mal Anna erzählen.
    Scheiße.
    Bennie Griessel putzte sich hastig die Zähne, ging unter die Dusche und drehte die Hähne weit auf, um die verräterischen Gerüche
     gründlich abzuwaschen.
     
    Sie war kein Bergie. Griessel fuhr ein kurzer Stich durchs Herz, als er über die Spitzen des Friedhofszauns kletterte und
     das Mädchen dort liegen sah. Die Sportschuhe, die Khakishorts, das orangefarbene Trainingshemd sowie die Form ihrer Arme und
     Beine verrieten, dass sie noch jung war. Sie erinnerte ihn an seine Tochter.
    Er ging den schmalen geteerten Weg hinauf, vorbei an hohen Palmen, Tannen und einem gelben Schild:
FÜR UNBEFUGTE ZUTRITT VERBOTEN. PARKEN AUF EIGENE GEFAHR..
Und auf diesem Weg lag sie dann, links neben der Kirche.
    Er blickte hinauf
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