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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden
Autoren: Deon Meyer
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ziehen solle und ob das
     gutgehen könne.
    War es seine neue Rolle als Mentor? Die Situation, sich an einem Tatort aufzuhalten, aber nicht selbst ermitteln zu dürfen?
     Nur gucken, nicht anfassen? Es würde ihm schwerfallen, das wurde ihm immer klarer.
    Vielleicht sollte er aber auch erst mal etwas essen.
    Griessel blickte nach Süden, zur Oranjestraat-Kreuzung. Es war Dienstag, kurz vor sieben, und es herrschte reger Verkehr –
     Autos, Busse, Taxen, Mopeds, Fußgänger. Das typische hektische Treiben Mitte Januar, wenn die Schule wieder anfing und die
     Ferien vorbei und vergessen waren. Auf dem Bürgersteig hatte sich inzwischen eine Schar von Gaffern versammelt. Auch zwei
     Pressefotografen waren eingetroffen, Fototaschen über der Schulter, die Kameras mit den langen Teleobjektiven wie Waffen im
     Anschlag. Einen kannte er, einen Saufkumpanen aus seiner Alkoholiker-Zeit, der jahrelang für die
Cape Times
gearbeitet hatte und inzwischen für eine Boulevardzeitung Sensationen jagte. Eines Abends im Fireman’s Arms hatte er mal erklärt,
     wenn man sämtliche Polizisten und Journalisten für eine Woche auf Robbeneiland einsperren würde, könnten die Kneipen und Spirituosenläden
     am Kap dichtmachen.
    Der Ermittler beobachtete einen Fahrradfahrer, der sich behände durch den Verkehr schlängelte, auf einem Rennrad mit |23| lächerlich dünnen Reifen. Er trug eine enge schwarze Hose, ein helles, buntes Hemd, Spezialschuhe, einen Helm, ja, dieser
     Lackaffe trug sogar Handschuhe! Griessel folgte dem Rad bis zur Ampel an der Oranjestraat und dachte bei sich, dass er niemals
     in einem so lächerlichen Aufzug unterwegs sein würde. Ihm reichte ja schon dieser Pisspott-Helm, den er auch nie getragen
     hätte, wenn er ihn nicht als Dreingabe zu dem Fahrrad bekommen hätte.
    Schuld an allem war Doc Barkhuizen, sein spezieller Freund bei den Anonymen Alkoholikern. Frustriert hatte sich Griessel bei
     Barkhuizen beklagt, dass sein Verlangen nach der Flasche noch immer nicht nachgelassen habe, obwohl die kritischen drei Monate
     schon längst vorbei waren. Seine Sucht war noch genau so verzehrend wie am ersten Tag. Der Doc hatte mit dem abgedroschenen
     Gemeinplatz geantwortet, er müsse eben von einem Tag zum anderen leben, aber Griessel hatte erwidert, er brauche mehr als
     diesen hohlen Trost. Da erklärte der Doc: »Du musst dich ablenken. Was machst du abends?«
    Abends? Für einen Polizisten gab es kein »abends«. Und wenn er wirklich mal früh genug nach Hause kam, schrieb er an seine
     Tochter Carla, oder er legte eine seiner vier CDs in den Computer ein und spielte dazu Bassgitarre.
    »Abends bin ich beschäftigt, Doc.«
    »Und morgens?«
    »Manchmal gehe ich im Park spazieren. Oben am Stausee.«
    »Wie oft?«
    »Keine Ahnung. Ab und zu. Einmal pro Woche, eher weniger.«
    Das Problem mit dem Doc war seine Beredsamkeit. Und sein Enthusiasmus. Für alles und jedes konnte er sich begeistern. Er gehörte
     zu diesen »Das Glas ist halb voll«- Typen, die nicht ruhten, bis sie einen bekehrt hatten. »Ich habe vor ungefähr fünf Jahren
     mit dem Radfahren angefangen, Bennie. Joggen kann ich nicht wegen meines Knies, aber Fahrradfahren schont meine alten Knochen.
     Ich habe es ruhig angehen lassen, so etwa fünf, sechs Kilometer am Tag. Aber dann hat es mich gepackt, denn es macht richtig
     Spaß. Die frische Luft, die Gerüche, die Sonne … Man spürt die Hitze und die Kälte, und man sieht alles aus einer anderen
     Perspektive, denn man bewegt sich in seinem eigenen |24| Tempo. Man kommt so richtig zur Ruhe. Man hat Zeit zum Nachdenken.« Und so weiter.
    Nachdem der Doc ihm zum dritten Mal diese Predigt gehalten hatte, ließ er sich von der Begeisterung mitreißen, und Ende Oktober
     hatte er sich schließlich ein Fahrrad zugelegt. Auf seine übliche Art: Bennie Griessel, der Schnäppchenjäger, wie ihn sein
     halbwüchsiger Sohn Fritz manchmal scherzhaft nannte. Zunächst verglich er die Preise neuer Räder in den Geschäften und erfuhr
     dabei zweierlei: Erstens waren gute Modelle lächerlich teuer, und zweitens mochte er die robusten Mountainbikes lieber als
     die tuntigen Rennräder. Anschließend sah er sich in den Leihhäusern und An- und Verkauf-Läden um, aber dort gab es fast nur
     ausgediente alte Supermarkt-Modelle, und sogar die neuen waren klapprige Drahtesel. Dann las er eine Anzeige in der Zeitung,
     in der in den höchsten Tönen ein Giant Alias angepriesen wurde: 27 Gänge, superleichter
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