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und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe
Autoren: Nancy Atherton
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Taschenlampen tanzten wie Irrlichter vor uns her. Hinter mir konnte ich Bill keuchen hören, und immer wieder huschten kleine Nachttiere vor uns weg und suchten Deckung. Ich fragte mich, was sie wohl von unserer seltsamen Expedition hielten.
    Als wir die Spitze des Bergs erreicht hatten, drang bereits das fahle Licht der Vordämmerung durch die Nebelschwaden, die über der Lichtung lagen.

    Der Anblick war so unheimlich, dass ich abrupt stehen blieb, worauf Bill gegen mich prallte und hinter ihm Emma und Derek ebenfalls aufliefen, sodass unser Auftritt eher an die Marx Brothers als an die Geschwister Brontë erinnerte.
    Ich ging voraus zu der alten Eiche, wo ich meine Tasche ablegte. Dann kniete ich mich hin, nahm einen kleinen Spaten heraus und fing an, zwischen den knorrigen Wurzeln zu graben. Emma, Derek und Bill knipsten ihre Taschenlampen aus und sahen mir schweigend zu, und als das Loch tief genug war, hielt ich inne und sah auf zu dem Herz, das Bobby vor so langer Zeit in die Rinde geritzt hatte.
    Die anderen folgten meinem Blick und knieten ebenfalls nieder. Ich nahm das Bündel mit den zusammengefalteten Briefen aus der Tasche, das mit dem hellblauen Band umschlungen war, und legte sie zuunterst in das Loch. Aus meiner Jackentasche zog ich die blaue Schachtel, öffnete den Verschluss der Kette, die ich um den Hals trug, und zog Bobbys Ring darauf; als sich die beiden Schmuckstücke berührten, ertönte ein leises metallisches Geräusch.
    Dann verstaute ich die Kette wieder in der blauen Schachtel, die ich behutsam auf das Briefbündel bettete. Bill nahm den Spaten in die Hand, schaufel-te das Loch wieder zu, und als er die Erde an der Oberfläche festklopfte, ging die Sonne auf.
    Die Lichtung glitzerte vom Tau wie mit Tausen-den von Edelsteinen, und eine Lerche stieg auf und intonierte ihr erstes Morgenlied. Die Nebelschwaden im Tal verzogen sich, und langsam kamen rosa, pfirsichfarben und goldglänzend die Felder und Hügel zum Vorschein. Es mag eine Täuschung des Lichts gewesen sein – ich habe die anderen nie danach gefragt –, aber ich könnte schwören, dass das Herz in der alten Eiche ebenfalls glänzte, als ich aufstand.
    Jetzt war alles, wie es sein musste; nichts fehlte, nichts war am falschen Ort, und ich wusste, wenn die Sonne hoch oben stand, würden die Habichte wieder aufsteigen und in der Thermik ihre Kreise ziehen.

25
    Ich weiss nicht, ob es die Intuition des Sohnes oder der Verstand des Rechtsanwaltes war, jedenfalls fiel Bill eine ziemlich überzeugende Geschichte ein, die wir Willis senior auftischten. Angeblich waren wir auf unseren Streifzügen durch die Umgebung alten Bekannten begegnet, die uns nach Schottland eingeladen hatten, wo man uns in die Vorbereitungen für eine Überraschungsparty ein-spannte. Mir klang alles reichlich unwahrscheinlich, aber Willis senior schien es anstandslos zu schlucken, was ich mir nur damit erklären konnte, dass diese Dinge in gewissen Kreisen wohl nicht weiter außergewöhnlich sind.
    Sehr zu meiner Überraschung war Willis senior auch damit einverstanden, dass wir unser Frage-und-Antwort-Quiz vorzeitig beendeten. Als ich ihm sagte, dass ich mit dem Schreiben anfangen wolle und keiner weiterer Eselsbrücken bedürfe, hatte er keine Einwände. Ich rief Bill ins Arbeitszimmer, damit er kurz mit seinem Vater sprechen könne, und kaum hatte er den Hörer aufgelegt, deutete ich auf die Tür. »Und jetzt geh bitte«, sagte ich, »ich muss die Einleitung zu einem Buch schreiben.«
    Von diesem Augenblick an war es, als ob ein zweiter guter Geist im Haus spukte. Wie durch Zauberhand wurden belegte Brote und Kannen mit Tee gereicht, die leeren Tassen und Teller verschwanden wie von selbst. Eines Tages stand plötzlich ein Klappbett im Arbeitszimmer, schließlich erschien sogar ein Laptop, auf dessen Tastatur Reginald thronte. Es erübrigt sich wohl zu erwähnen, dass ich an diese Tage eine bestenfalls verschwom-mene Erinnerung habe, aber nach nicht weniger als neun Entwürfen und eine Woche vor Ablauf der Frist hatte ich die Einführung zu Loris Geschichten fertig.
    Nachdem ich vierzehn Stunden am Stück geschlafen hatte, fertigte ich eine Reinschrift an und ging hinaus, um Bill zu suchen. Er lag oben auf dem Balkon in der Sonne. Als er mich erblickte, blinzelte er zu mir auf und winkte. »Hallo, schöne Fremde.
    Was ich dich schon lange fragen wollte, hast du eigentlich in letzter Zeit wieder einmal mit Dimity gesprochen?«
    »Ja, aber ich habe keine
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