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und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe
Autoren: Nancy Atherton
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Währenddessen stand Willis senior auf dem gepflasterten Garten-weg, die Augen unverwandt auf das Haus gerichtet, während er angestrengt nachzudenken schien.
    »Vater! Warum hast du nicht angerufen? Wir hätten dich abgeholt.«

    »Mr Willis, wenn ich gewusst hätte, dass Sie frü-
    her kommen, hätte ich …«
    »Merkwürdig«, sagte Willis senior wie zu sich selbst. »Sehr merkwürdig.« Er bemerkte unsere ratlosen Gesichter und zuckte hilflos die Schultern.
    »Ich kann euch versichern, dass ich euer Erstaunen über mein frühzeitiges Eintreffen teile. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich es erklären kann.«
    »Ich glaube, ich kann es«, sagte Bill leise, als wir das Gepäck seines Vaters hereinbrachten. Ich musste mir auf die Lippen beißen, um nicht laut loszula-chen.
    Als wir endlich im Wohnzimmer saßen – Bill neben seinem Vater und ich ihnen gegenüber auf der Fensterbank –, hatte Willis senior uns die Sache erklärt, soweit er es vermochte. Seine Erklärung war jedoch nicht sehr erschöpfend: Er hatte einfach alle Termine abgesagt, war in eine Concorde gestiegen und dann von London aus ohne zu zögern hierher gekommen, getrieben von einer Notwen-digkeit, die ebenso unwiderstehlich wie unerklärlich war. »Was wird Mrs Franklin nur von mir denken?
    Und Mr Hudson? Das sind zwei unserer wichtigsten Mandanten. Oje …«
    »Vater, ich glaube, Lori und ich können es dir erklären.« Beruhigend legte Bill seine Hand auf die mit maßgeschneidertem Tuch bedeckte Schulter seines Vaters.

    »Tatsächlich?«, fragte Willis senior zweifelnd.
    »Ja, obwohl es Ihnen etwas schwer fallen dürfte, die Erklärung zu glauben«, sagte ich.
    »Sie könnte kaum unglaublicher sein als die bisherigen Begleitumstände meiner Reise. Ich meine, einen festen Tagesablauf plötzlich einfach umzu-werfen, das ist wirklich außerordentlich …« Seine grauen Augen sahen mich an. »Meine Liebe, bitte entschuldigen Sie diesen unverzeihlichen Überfall.
    Ich bitte Sie, lassen Sie sich durch mich nicht in Ihrer Arbeit unterbrechen.«
    Ich tat seine Entschuldigung mit einer Handbewegung ab. »Ich freue mich immer, Sie zu sehen, Mr Willis. Ich wollte Sie sowieso heute anrufen, um Ihnen zu sagen, dass ich die Einleitung fertig habe.
    Wenn es nötig sein sollte, könnte ich sofort abreisen.«
    »Jetzt, Miss Shepherd? Sie möchten heute abreisen?«
    Hätte ich ehrlich sein wollen, dann hätte ich zugeben müssen, dass es nichts gab, das ich weniger gern getan hätte. Mein Blick wanderte vom Kamin mit seinem Häufchen feiner weißer Asche zu dem Flieder, der frisch und duftend die Vasen füllte. Ich fuhr mit dem Finger über den Tintenfleck in der Ecke der Fensterbank und sah durch die rautenförmigen Scheiben hinaus, wo sich die Rosen im Wind wiegten. Ich würde immer an dieses Cottage denken müssen. Es würde mir fehlen, ich wollte nicht weg von hier. Ich wusste jedoch, dass ich es jetzt könnte. War es nicht weitaus besser, jetzt mit erhobenem Kopf wegzugehen, als zu warten, bis ich mich vielleicht ständig danach umdrehen würde?
    »Ja«, sagte ich entschlossen. »Ich brauche nicht mehr länger hier zu wohnen.«
    »Ich verstehe.« Willis senior spitzte die Lippen, zog die Augenbrauen hoch und schien einen Entschluss zu fassen. »Gut. In dem Falle steht der letzten Anweisung von Miss Westwood nichts mehr im Wege.«
    »Das ist auch nicht nötig, Mr Willis«, sagte ich.
    »Ich würde mich schämen, von dem Honorar auch nur einen Cent anzunehmen. Was ich hier gemacht habe, tat ich aus Liebe zur Sache.«
    »Das ehrt Sie, Miss Shepherd, und wenn Sie es wirklich wünschen, werde ich entsprechend handeln. Aber es geht hier nicht um das Honorar.«
    »Nein?«
    Willis senior bat Bill, seinen Aktenkoffer aus dem Flur zu holen. Als Bill damit zurückkam, nahm Willis senior eine Ledermappe heraus, deren Inhalt er eingehend prüfte. Er nickte kurz, dann schloss er die Mappe und legte seine gefalteten Hände darauf.
    »Meine liebe Miss Shepherd«, sagte er, »ich muss Ihnen noch eine letzte Frage stellen. Würden Sie meinem Sohn und mir bitte die Geschichte Tante Dimity kauft eine Taschenlampe erzählen?«

    Ich zog die Beine auf die Bank und winkelte sie an. Dann erzählte ich die Geschichte noch einmal, aber diesmal war es die korrekte Version, die mit den freundlichen Erinnerungen, nicht die mit dem gequetschten Fuß. Während ich erzählte, war es mir, als kehrte ich zurück zu dem Abend, an dem ich im Hause Willis angekommen war. Ich sah mich im
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