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Und dann der Himmel

Und dann der Himmel

Titel: Und dann der Himmel
Autoren: Jan Stressenreuter
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liebsten tot sehen!“
    Seine Worte sind wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Ich springe vom Stuhl und renne aus der Küche. Es war ein Fehler, hierher zu kommen, eine weitere Schnapsidee von Rafael. Ich habe es gleich gewusst. Finn wird mir niemals verzeihen. Er empfindet nichts mehr für mich, er ist derjenige von uns beiden, der den anderen verachtet. So schnell ich kann, stürze ich die Treppen wieder hoch, zurück ins Schlafzimmer. Meine Gedanken kreisen einzig und allein um Flucht. Ich will nur noch weg hier. So schnell und so weit weg wie möglich. Den Namen Finn werde ich aus meinem Gedächtnis verbannen, für immer und ewig.
    Aber Finn läuft mir hinterher. Er ist zwar nicht so flink und wendig wie ich, aber seine Behäbigkeit macht er durch lange Schritte wieder wett. Ich höre seine Schuhe die Treppe emporpoltern, er nimmt zwei Stufen auf einmal. Noch bevor ich auch nur eine Socke anziehen kann, hat er mich eingeholt. Mit einem Knall stößt er die Schlafzimmertür auf und lässt sie hinter sich ins Schloss krachen.
    „Glaub ja nicht, dass du dich so einfach wieder verpissen kannst, Marco“, stößt er atemlos hervor. „Du bist mir was schuldig!“
    „Ich schulde dir gar nichts, du Mistkerl!“ brülle ich ihn zornig an. „Erst wenn die Hölle zufriert! Du wolltest doch unbedingt mit Lars in die Kiste! Dann steh auch zu den Konsequenzen!“
    „Hör doch auf, uns beiden etwas vorzumachen! Es geht dir doch gar nicht um Lars! Dass es Lars war, mit dem ich dich betrogen habe, interessiert dich doch gar nicht!“
    „Stimmt!“ schreie ich ihn an. „Es geht darum, dass du mein Vertrauen missbraucht und mich hintergangen hast. Dass du nur darauf gewartet hast, dass ich dir den Rücken zudrehe!“
    Finn verliert endgültig die Fassung, springt mit wutentbranntem Gesicht auf mich zu und will sich auf mich werfen. Doch ich habe diesen Schritt vorausgesehen und trete im letzten Moment zur Seite, mit dem Ergebnis, dass Finn nur meine Beine erwischt, während er wie ein gefällter Baum zu Boden geht. Trotz seines schmerzverzerrten Gesichts lässt er nicht los. Ich versuche, mich seinem Griff zu entwinden, aber er ist zu stark, seine Hände sind wie Stahlklammern und er zieht mich zu sich herab, bis wir plötzlich beide auf dem Boden liegen, miteinander ringen, als ginge es um Leben und Tod. Wut, Zorn und Enttäuschung spiegeln sich in unseren Augen wider. Es ist, als reichten unsere Worte nicht aus, als könnte nur die pure Gewalt entscheiden, wessen Argumente schwerer wiegen. Verbissen streiten wir um die Oberhand in diesem Kampf, stumm und keuchend wetteifern wir um den Sieg.
    Finn ist kräftiger als ich und normalerweise hätte ich keine Chance gegen ihn, aber ich habe immer noch nur meine Boxershorts an und der Schweiß, der sich auf meinem Körper bildet, mir den Nacken, die Brust und den Rücken hinunterläuft, bietet Finns Angriffen keinen Halt. Immer wieder gelingt es mir, mich zu befreien. Mein Fuß stößt gegen den Nachttisch und die Leselampe fällt scheppernd zu Boden, Finn rempelt gegen einen Kleiderständer, der krachend gegen den Schrank fällt, aber keiner von uns beiden hält inne. Schon nach wenigen Minuten sieht das Zimmer aus wie ein Schlachtfeld.
    Unsere Wut aufeinander und die frustrierende Erkenntnis, dass keiner von uns freiwillig nachgibt, verleiht uns ungeahnte Kräfte und wir werden immer rücksichtsloser. Schon nach kurzer Zeit haben wir blaue Flecken, Schrammen und Prellungen, aber Finn und ich scheren uns nicht darum. Wir schenken uns nichts. Es ist, als ob diese äußerlichen Verletzungen niemals den Schmerz aufwiegen könnten, den wir uns zugefügt haben.
    „Du hast es dir selbst zuzuschreiben!“ keuche ich, als mich Finn in den Schwitzkasten nimmt. „Du hast mich betrogen. Ich habe immer gewusst, dass du mir nicht treu sein wolltest!“ Mit letzter Kraft ramme ich Finn meinen Ellbogen in die Magengrube. Er wird kalkweiß im Gesicht, ringt nach Luft und löst seinen Griff um meine Kehle. Wie zwei angeschlagene Boxer taumeln wir in die entgegengesetzten Ecken des Schlafzimmers. Aber die Auszeit währt nur wenige Augenblicke.
    „Du selbstgefällige kleine Kröte!“ faucht Finn mich an, als er wieder sprechen kann. Er stürzt auf mich zu und mit einem Griff dreht er mir den Arm auf den Rücken, bis ich das Gefühl habe, dass jeden Moment meine Schulter ausgekugelt wird. Ich kann Finns Atem auf meinem Nacken spüren, als er mir ins Ohr zischt. „Du hast mich behandelt wie
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