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Unbeugsam

Unbeugsam

Titel: Unbeugsam
Autoren: Laura Hillenbrand
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wann er zurückkehre.
    Mihailovich, dem jetzt klar war, dass Watanabe ihm ausweichen wollte, beschloss, das Apartmenthaus, in dem Watanabe wohnte, und sein Büro zu überwachen. Er wartete stundenlang; Watanabe erschien nicht. Mihailovich wollte schon aufgeben, als sein Handy läutete. Watanabe hatte auf den Anruf des Sendeleiters reagiert. Als man ihm mitteilte, dass ihm die Fernsehleute eine Nachricht von Louis Zamperini zukommen lassen wollten, erklärte Watanabe sich mit einem Treffen in einem Hotel in Tokio einverstanden.
     
    Mihailovich mietete ein Zimmer in dem Hotel und platzierte dort seine Kameraleute. Da er bezweifelte, dass Watanabe sich auf ein reguläres Interview einlassen würde, stattete er seinen Kameramann mit einer in einer Baseballkappe versteckten winzigen Kamera aus. Zum vereinbarten Termin kam der Bird ins Hotel.
    Sie nahmen im Foyer Platz, und Watanabe bestellte ein Bier. Mihailovich erläuterte, dass er und seine Männer an einer Dokumentation über Louis Zamperini arbeiteten. Watanabe wusste sofort, um wen es sich handelte. »600 Gefangene«, sagte er. »Zamperini Nummer Eins.«
    Bob Simon, der Moderator der Sendung, vermutete, dass dies wahrscheinlich seine einzige Chance war, Watanabe zu interviewen, daher nahm er ihn gleich dort im Foyer wegen der Brutalität in die Zange, mit der er Louie behandelt hatte. Watanabe reagierte bestürzt. Er sagte etwas in der Richtung, Zamperini sei ein guter Mann gewesen und wie sehr er, Watanabe, den Krieg verabscheut habe. Er behauptete, sein wichtigstes Anliegen sei es gewesen, die Kriegsgefangenen zu beschützen, denn wenn sie aus dem Lager entwichen wären, dann hätten die Zivilisten sie umgebracht. Auf die Frage, warum er auf der Liste der meistgesuchten Kriegsverbrecher gestanden |457| habe, plusterte er sich mit augenfälligem Stolz auf. »Ich bin Nummer Sieben«, sagte er. »Tojo Nummer Eins.« Das Leben auf der Flucht, so seine Worte, sei sehr schmerzlich für ihn gewesen.
    Sie fragten Watanabe, ob er bereit wäre, mit hinaufzukommen und sich vor laufender Kamera interviewen zu lassen. Watanabe fragte, ob das Interview in Japan ausgestrahlt werden solle, und Mihailovich verneinte. Zu seiner Überraschung war Watanabe einverstanden.
    In dem angemieteten Hotelzimmer gaben sie Watanabe dann ein Foto des jungen Louie, er stand auf einer Aschenbahn und lächelte. Sofort begann Simon mit seinen Fragen.
    »Zamperini und die anderen Gefangenen erinnern sich an Sie vor allem als den brutalsten aller Wachsoldaten. Wie erklären Sie sich das?«
    Watanabes rechtes Augenlid begann zu zucken. Mihailovich spürte ein gewisses Unbehagen.
    »Ich hatte nicht den Befehl dazu«, sagte Watanabe, was dem widersprach, was er in dem Interview von 1995 angegeben hatte. »Aufgrund meiner persönlichen Gefühle behandelte ich die Gefangenen konsequent als Feinde Japans. Zamperini kannte ich gut. Wenn er sagt, er sei von Watanabe geschlagen worden, dann ist das im Lager zu jener Zeit wohl auch tatsächlich passiert. Sie müssen meine persönliche Gefühlslage zu jener Zeit bedenken.«
    Er warf den Kopf zurück, streckte das Kinn vor und musterte Simon mit einem harten Blick. Dann erzählte er, die Gefangenen hätten sich häufig über »Kleinigkeiten« beschwert und die Japaner mit Schimpfwörtern belegt. Solche Vorkommnisse hätten ihn verärgert. Als Aufseher über viele hundert Gefangene habe er unter einem gewaltigen Druck gestanden.
    »Schläge und Tritte gelten in der kaukasischen Gesellschaft als grausam. Das ist grausames Verhalten«, sagte er betont langsam. »Aber es gab im Gefangenenlager Situationen, in denen Schläge und Tritte nicht zu vermeiden waren.«
    Nach dem Abschluss des Interviews wirkte Watanabe aufgewühlt und erzürnt. Als er erfuhr, dass Zamperini nach Japan kommen würde und sich mit ihm treffen wolle, um ihm seine Vergebung anzubieten, antwortete Watanabe, er wolle ihn sehen und sich entschuldigen, allerdings dürfe das nur als seine persönliche Entschuldigung verstanden werden, nicht als Entschuldigung des japanischen Militärs.
    Während die Fernsehleute ihre Sachen zusammenpackten, hatte Mihailovich eine letzte Bitte. Ob man Watanabe filmen dürfe, wie er die Straße heraufkomme? Das schien nun endlich dem zu entsprechen, was Watanabe |458| sich von dem Treffen mit der amerikanischen Fernsehgesellschaft versprochen hatte. Er setzte seinen Hut auf, ging auf dem Bürgersteig ein paar Schritte in die entgegengesetzte Richtung, drehte sich um
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