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Unbefugtes Betreten

Unbefugtes Betreten

Titel: Unbefugtes Betreten
Autoren: Julian Barnes
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Entwicklungsländern, nicht der Dritten Welt. Das sagt man nicht mehr.«
    »Den Krebsentwicklungsländern.«
    »Und dann die Geschichte mit Humphrey Bogart. Könnt ihr euch erinnern? Die wollten eine Briefmarke mit ihm drauf machen, aber auf dem Foto hat er geraucht, und da haben sie das wegretuschiert. Sonst hätten die Leute ja die Marke aufkleben, Bogey rauchen sehen und plötzlich denken können: Was für eine gute Idee!«
    »Die schaffen es bestimmt noch, die Raucherei aus den Filmen rauszuschneiden. So wie sie Schwarz-Weiß-Filme kolorisieren.«
    »In meiner Jugend in Südafrika hat die Zensurbehörde jeden Film geschnitten, in dem Weiße und Schwarze normalen Kontakt miteinander hatten. Von Heiße Erde sind gerade mal vierundzwanzig Minuten übrig geblieben.«
    »Ach, die meisten Filme sind eh zu lang.«
    »Wusste gar nicht, dass du in Südafrika aufgewachsen bist.«
    »Außerdem haben in den Kinos immer alle geraucht. Könnt ihr euch erinnern? Vor der Leinwand war eine Wand von Tabakdunst.«
    »Aschenbecher in den Armlehnen.«
    »Genau.«
    »Aber was Bogey und die Raucherei betrifft … Manchmal,wenn ich mir einen alten Film anschaue, und da gibt es eine Szene in einem Nightclub mit einem Paar, das trinkt und raucht und coole Sprüche klopft, dann denke ich: ›Verdammt, das hat einfach Stil‹, und dann denke ich: ›Könnte ich jetzt gleich eine Zigarette und einen Drink haben?‹«
    »Es hatte sehr wohl Stil.«
    »Bis auf den Krebs.«
    »Bis auf den Krebs.«
    »Und die Verlogenheit?«
    »Na ja, du darfst einfach nicht inhalieren.«
    »Passivverlogenheit?«
    »Das gibt es. Und wie.«
    »Ist ›kolorisieren‹ eigentlich das richtige Wort?«
    »Will noch jemand Kaffee?«
    »Nur, wenn du eine Zigarette hast.«
    »Das gehörte immer dazu, nicht wahr? Die Zigarette zum Kaffee.«
    »Ich glaube nicht, dass wir welche im Haus haben. Jim hat das letzte Mal, als er hier war, Gauloises dagelassen, aber die waren so stark, dass wir sie weggeschmissen haben.«
    »Und diese Freundin von dir hat Silk Cuts dagelassen, aber die sind zu schwach.«
    »Letztes Jahr waren wir in Brasilien, und dort sind die Warnungen auf den Päckchen geradezu apokalyptisch. Farbige Bilder von Scheußlichkeiten: Babys mit Missbildungen, eingelegte Lungen und solches Zeug. Und dann die Warnungen … Nicht so höfliche Formulierungen wie ›Die Regierung Ihrer Majestät‹ oder ›Warnung des Gesundheitsministers‹. Die schildern drastisch, was draufgeht. Da ging einmal einer in ein Geschäft und kaufte ein Päckchen… weiß nicht mehr, was. Er kommt raus, liest die Warnung, geht wieder rein, gibt das Päckchen zurück und sagt: ›Die machen impotent. Haben Sie welche, die Krebs verursachen?‹«
    »Aha.«
    »Also ich fand’s lustig.«
    »Vielleicht hast du ihnen die Geschichte schon mal erzählt, Schatz.«
    »Lachen könnten die Arschgeigen trotzdem. Immerhin trinken sie meinen Wein.«
    »Es liegt eher daran, wie du die Geschichte erzählt hast, Phil. Bisschen langatmig.«
    »Arschloch.«
    »Ich glaube, wir haben noch etwas Gras, das jemand dagelassen hat.«
    »Ach ja?«
    »Ja, in der Kühlschranktür.«
    »Wo in der Kühlschranktür?«
    »In der Ablage mit dem Parmesan und dem Tomatenmark.«
    »Und wer hat es dagelassen?«
    »Weiß nicht mehr. Es muss ziemlich alt sein. Hat wohl keinen Saft mehr.«
    »Keinen Saft mehr? Gras?«
    »Alles verliert mit der Zeit den Saft.«
    »Präsidentschaftskandidaten?«
    »Die ganz besonders.«
    »Ich hatte es Doreena angeboten.«
    »Wer ist Doreena?«
    »Unsere Putzfrau.«
    »Eine Putzfrau namens Doreena, die …«
    »Bloß keinen Limerick!«
    »Du hast es Doreena angeboten?«
    »Allerdings.Verstößt das gegen das Arbeitsgesetz oder was? Sie hat es aber nicht gewollt. Sie hat gesagt, darüber ist sie hinaus.«
    »Du lieber Gott, so weit kommt’s noch, dass Putzfrauen geschenkte Drogen ablehnen!«
    »Natürlich, wir wissen ja, dass Zigaretten schneller süchtig machen als alles andere: Alkohol, weiche Drogen, harte Drogen. Sogar schneller süchtig als Heroin.«
    »Das wissen wir?«
    »Ich hab’s in der Zeitung gelesen. Zigaretten: Platz eins.«
    »Dann wissen wir’s?«
    »Schneller süchtig als Macht?«
    »Sehr gute Frage!«
    »Wir wissen auch – und das hab ich nicht aus der Zeitung –, dass alle Raucher Lügner sind.«
    »Willst du damit sagen, wir seien alles ehemalige Lügner?«
    »Genau. Ich eingeschlossen.«
    »Geht’s vielleicht ein bisschen spezifischer?«
    »Du belügst deine Eltern, wenn
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