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Unbefugtes Betreten

Unbefugtes Betreten

Titel: Unbefugtes Betreten
Autoren: Julian Barnes
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Ende nichts als eine Staffelmedaille von irgendeinem längst vergessenen Wettkampf in einem Land, das es nicht mehr gab.
    Vernon schaute hinaus auf den Betonstreifen und den Kiesstrand, auf das graue Meer und den grauen Himmel dahinter. Die Aussicht erweckte den Anschein, als wäre sie schon immer so gewesen, seit Leute an diesem Restaurantfenster saßen. Dabei hatte da einmal eine Reihe von Strandhütten gestanden und die Aussicht versperrt. Dann hatte sie jemand niedergebrannt.

BeiPhil & Joanna 1: 60/40
    ____
    Es war in der Woche, als Hillary Clinton doch noch ihre Niederlage eingestand. Auf dem Tisch war ein Durcheinander von Flaschen und Gläsern; und obschon der Hunger gestillt war, bewirkte eine sanfte soziale Sucht, dass sich immer wieder Hände ausstreckten, um noch eine Traube zu schnappen, einen Brocken aus dem bröseligen Käsekliff herauszubrechen oder eine Praline aus der Schachtel zu klauben. Wir hatten über Obamas Chancen gegen McCain gesprochen und darüber, ob Hillary in den vergangenen Wochen Mut bewiesen oder sich nur etwas vorgemacht habe. Wir erörterten auch, inwiefern sich Labour noch von den Konservativen unterscheide, die Straßen von London sich für die Gelenkbusse eigneten, wie groß die Wahrscheinlichkeit eines Al-Qaida-Anschlags während der Olympiade von 2012 sei und wie der Treibhauseffekt sich auf den englischen Weinbau auswirken könnte. Joanna, die zu den letzten beiden Themen geschwiegen hatte, sagte jetzt mit einem Seufzer:
    »Wisst ihr was, jetzt hätte ich wirklich Lust auf eine Zigarette.«
    Alle schienen leise auszuatmen.
    »Genau in Situationen wie dieser, nicht wahr?«
    »Das Essen. Dieses Lamm, übrigens …«
    »Danke.Sechs Stunden. So wird es am besten. Und Sternanis.«
    »Dann der Wein …«
    »Nicht zu vergessen die Gesprächspartner.«
    »Als ich aufhören wollte, ging mir vor allem die Missbilligung auf den Zeiger. Du fragst, ob es jemandem was ausmacht, alle sagen ›Nein‹, aber du spürst, wie sie sich abwenden und möglichst nicht einatmen. Und dich entweder bemitleiden, was herablassend wirkt, oder dich geradezu hassen.«
    »Und dann gab es nie einen Aschenbecher, sondern man hat das Haus auf den Kopf gestellt, bis man nach übertrieben langer Suche eine einsame Untertasse gefunden hatte.«
    »Die nächste Stufe war dann: hinausgehen und sich zu Tode frieren.«
    »Und wenn du sie dann in einem Blumentopf ausgedrückt hast, haben sie dich angeschaut, als hättest du einer Geranie Krebs angehängt.«
    »Ich habe meine Kippen in der Handtasche nach Hause mitgenommen. In einer Plastiktüte.«
    »Wie Hundescheiße. Wann hat das eigentlich angefangen? Etwa zur selben Zeit? Dass die Leute mit über die Hand gestülpten Plastiktüten rumspazieren und darauf warten, dass ihr Hund scheißt.«
    »Ich stelle mir immer vor, die muss doch warm sein. Dann fühlst du durch eine Plastiktüte warme Hundescheiße.«
    »Muss das sein, Dick?«
    »Ich habe jedenfalls noch nie gesehen, dass einer gewartet hätte, bis sie abkühlt. Du vielleicht?«
    »Diese Pralinen, um das Thema zu wechseln. Warum entspricht das Bild auf der Verpackung nie dem, was innen drin ist?«
    »Oderverhält es sich vielleicht umgekehrt?«
    »Umgekehrt wird ein Schuh draus.«
    »Die Bilder außen drauf sind nur eine Approximation. Wie auf einer kommunistischen Speisekarte. Eine Art Idealbild. Man muss sie als Metaphern betrachten.«
    »Die Pralinen?«
    »Nein, die Bilder.«
    »Ich habe früher sehr gern Zigarren geraucht. Es musste keine ganze sein. Eine halbe reichte.«
    »Die haben unterschiedliche Arten von Krebs verursacht, nicht wahr?«
    »Wer? Was?«
    »Zigaretten, Pfeifen, Zigarren. Bekam man von Pfeifen nicht Lippenkrebs?«
    »Und von Zigarren?«
    »Was besonders Vornehmes!«
    »Was soll denn das sein, eine vornehme Form von Krebs? Ist das nicht ein Widerspruch in sich?«
    »Arschkrebs muss wohl das Hinterletzte sein.«
    »Dick, also wirklich.«
    »Hab ich was gesagt?«
    »Herzkrebs – gibt es so was?«
    »Nur metaphorisch, würde ich sagen.«
    »George VI. – war das die Lunge?«
    »Oder der Kehlkopf?«
    »Wie auch immer, es war ein weiterer Beweis für seine Volksnähe, nicht wahr? Er ist ja auch während der Bombardierungen im Buckingham Palace geblieben und dann durchs zerstörte East End gegangen und hat den Leuten die Hand geschüttelt.«
    »Und dass er eine gewöhnliche Form von Krebs bekommen hat, habe dazu gepasst, willst du das sagen?«
    »Ich weiß auch nicht so recht, was ich sagen
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