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Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Titel: Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
Autoren: Samy Molcho
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Figuren, die sich etwas auf ihre Bildung einbildeten, Latein. Im ganzen deutschen Sprachraum war bis weit ins 19.Jahrhundert hinein das Französische die Sprache der gebildeten Kreise, die sich auf diese Weise vom gewöhnlichen Volk abzuheben suchten, das meist gar nicht die Gelegenheit hatte, Fremdsprachen zu erlernen. Heute zeichnet das Englische den Mann und die Frau von Welt aus, und ein paar englische Sprachbrocken, ironisch auch Neudeutsch genannt, genügen oft, um die Überlegenheit des weltgewandten Managers gegenüber einem hoffnungslos rückständigen Mitmenschen zu demonstrieren.

Von nächster Nähe und erster Erfahrung von Distanz
    Durch die Vereinigung von Mann und Frau, durch den Liebesakt, bei dem zwei Menschen vollständig miteinander verschmelzen, entsteht ein neues Leben. Der Mann zieht sich zurück, die Frau wird durch das neue Element, das in ihr wächst, dieses Leben hervorbringen. Es ist ein Teil von ihr, indem sie sich emotional an dieses Element, den Fötus, bindet. Gleichzeitig ist dieses heranwachsende Leben aber auch für sich zu sehen - als Individuum, getrennt von der Mutter. Neun Monate sind eine lange Zeit. Die werdende Mutter geht in dieser Zeit durch viele Erlebnisse, positive wie negative. Veränderungen im Körper sind stets auch Veränderungen des Gefühls und durch Veränderungen des Gefühls werden innere Bewegungen stimuliert. Die Bindung der Mutter an das werdende Leben in ihr nimmt ständig zu, bis zu dem Moment, in dem die Trennung unvermeidlich wird. Im Augenblick der Geburt wird die gewachsene Nähe zur Distanz. Von der Mutter wird diese Trennung durchaus auch als schmerzlich empfunden. Zwar stehen auf der einen Seite Freude und Erleichterung darüber, das neue Leben ans Licht der Welt gebracht zu haben, denn natürlich war auch immer die Neugier wach: Wie sieht es aus, das kleine Geschöpf, das in mir wächst. Und die bange Frage, ob es gesund sein wird, lässt sich nie verdrängen. Das alles löst sich nun in Freude auf. Zugleich aber wird der Mutter bewusst, dass sie in diesem Moment ein Stück von sich selbst verliert. Die Trennung ist unumkehrbar.
    Ein neues eigenes Ich ist geboren. Und dieses neue Ich beginnt sofort damit, sich selbst wahrzunehmen. Noch kennt es allerdings nur ein Bedürfnis, nämlich das Verlangen nach Wärme. Zum Trost der Mutter sucht es diese Wärme bei ihr, nur sie kann sein Bedürfnis stillen. Die Mutter nimmt das Neugeborene und wärmt es mit ihrer eigenen Haut. Diese Nähe entspringt einem Ur-Prinzip aus einer Vorzeit, in der es keine Häuser und keine Öfen gab, in der die Körperwärme, das gegenseitige Sich-Wärmen von Mutter und Kind, die erste Überlebenschance bedeutete.

    Die Mutter hält ihren kleinen Sohn an ihrem Körper. Hautkontakt ist eines der wichtigsten Elemente, auch für spätere zwischenmenschlichen Wärme. Ohne ihn verkümmern wir.

    Wenn wir von menschlicher Wärme sprechen, meinen wir natürlich nicht die reine Körperwärme, sondern die Zuneigung, die uns von einem anderen entgegengebracht wird oder die wir ihm gewähren. Doch natürlich bezieht der Begriff seinen Sinn aus der ursprünglichen Körperfunktion. Das entspricht auch dem Begriff der menschlichen Kälte, auch wenn wir darin vor allem die Weigerung sehen, Zuneigung und Interesse am anderen zu beweisen. Menschliche Kälte würde das Kind frühestens dann erfahren, wenn die Mutter ihm keine Wärme mehr spenden kann und andere sie ihm versagen. Dann bliebe das neue Ich allein und beziehungslos. Ohne jede Beziehung jedoch kann der Mensch nicht überleben, ohne Beziehung zu anderen verfiele der Mensch in Gleichgültigkeit allem gegenüber, was ihn umgibt, und würde langsam umkommen.
    Das Bedürfnis nach Nahrung ist die zweite dringende Notwendigkeit, die der kleine Erdenbürger anmeldet. Hunger löst einen unserer stärksten Instinkte aus. Das Neugeborene beginnt nach der Nahrungsquelle zu suchen. Seine Augen werden beweglich, das Köpfchen bewegt sich, bis es die Brust der Mutter gefunden hat und zu saugen beginnt. Instinktiv wird ihm das Saugen zur zweiten Natur, denn die Erfahrung, dass es auf diese Weise Wohlgefühl und Befriedigung erfahren hat, hat sich ihm tief eingeprägt.
    Als nächste Phase folgt die Entdeckung des eigenen Körpers. Die Augen sehen die Bewegung der Glieder, und ganz von selbst entsteht die Lust, nach ihnen zu greifen. Noch kann der Säugling nicht unterscheiden, was sich da bewegt, ob es zu ihm gehört oder nicht. Nur die Bewegung an
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