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Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Titel: Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
Autoren: Samy Molcho
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sich weckt seine Neugier. Es beginnt ein Spiel, das zur Unterscheidung zwischen angenehmen und unangenehmen Berührungen führt. Die Beschäftigung mit sich selbst ist der erste Schritt der Entwicklung des eigenen Ich. Das Baby greift nun nach allem, was seine Neugier reizt, grundsätzlich auf der Suche nach etwas, das ihm Genuss verspricht. Wird ein Objekt, das seine Neugier und Begehrlichkeit erweckt, aus seiner Nähe gerückt, fängt es an zu weinen, ganz genauso, wie es sein Bedürfnis nach Essen und Trinken signalisieren würde. Die Neugier ist ebenso stark, wie Hunger und Durst es sind.

Entdeckungsreisen - Die Kindheit
    Je größere Möglichkeiten dem Kind eingeräumt werden, Entdeckungen zu machen, Neugier zu entwickeln, umso schneller wird seine Entwicklung zur Selbstständigkeit voranschreiten. Wird das Kind zu gut versorgt, das heißt, so vollständig versorgt, dass es keiner eigenen Entdeckungen mehr bedarf, wird es in Abhängigkeit verharren. Das Kind wird die sorgende Mutter für einen Teil seiner selbst halten, was eine Trennung von der Versorgerin immer schwieriger machen wird. Es kann sogar so weit führen, dass es in seinem späteren Leben in seinen Partnern stets von Neuem nur den Versorger sucht und sich nur zu gern in Abhängigkeit begibt.
    Ob ein Kind sich für seine Umwelt interessiert, lässt sich von seinen Augen ablesen. Sein Blick richtet sich auf den Gegenstand seines Interesses, und bald greift es mit den Händen danach. Da Mund und Zunge im ersten Kindesalter die am weitesten entwickelten Sinnesorgane sind, steckt das Kind alles in den Mund. Das hat es beim ersten und wichtigsten Interesse, das es erfahren hat, dem Bedürfnis nach Nahrung, gelernt. Verliert das Kind sein anfängliches Interesse, lässt es das eben noch begehrte Objekt fallen, nimmt auf diese Weise Distanz zu ihm und wendet sich einem neuen Ziel zu oder beginnt, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Ermüdet sein Initiativdrang, trübt sich sein Blick. Es zieht sich in sich selbst zurück.
    Uns Erwachsenen geht es ja nicht anders. Das Bedürfnis nach Schlaf ergreift auch uns, und sehr oft nehmen wir im Schlaf die sogenannte embryonale Haltung ein. So schließen wir uns von der übrigen Welt ab, unsere Konzentration geht nach innen. Diese Haltung, die sich fast der Kugelform nähern kann, dient in vielen Fällen einfach der Regeneration des inneren Systems durch Schlaf, kann sich jedoch zugleich auch dazu eignen, psychische Probleme zu bewältigen und innere Prozesse zu verarbeiten. Diese Position kann man vor allem bei jungen Mädchen in der Pubertät oft beobachten, denn ihr Gefühlsleben gleicht in dieser Zeit einer Achterbahnfahrt.
    Das kleine Kind verhält sich genauso: die Hände legen sich an den eignen Körper, der Wunsch, ganz und allein bei sich selbst zu sein, drückt sich überdeutlich aus. Kommen in diesem Moment die Erwachsenen in der guten Absicht, sich mit dem Kleinen zu beschäftigen, mit ihm zu spielen, wird es protestieren: Es beginnt zu weinen. Sein Recht, von der Welt Distanz zu nehmen, um sich selbst ganz fühlen zu können, ist verletzt.

    Die urtümliche Schlafstellung des Embryos bewährt sich auch bei zwei Erwachsenen, die als Paar den Schlaf genießen.
    In der embryonalen Schlafstellung, nähert sich unsere Körperhaltung fast ganz der Kugelform. Meistens stellt sie sich ganz von selbst ein, vermittelt Sicherheit, schützt den Bauch.

    Jede Erfahrung, die das Kind in diesem frühen Stadium macht, hilft ihm zu wachsen, wird gespeichert, um sie mit neuen Erfahrungen vergleichen zu können. Eine wesentliche Rolle spielen hierbei die übrigens erst 1995 von dem italienischen Gehirnforscher Giacomo Rizzolatti im Tierversuch an Affen entdeckten Spiegelneuronen. Das sind Nervenzellen, die sich im Gehirn während der Betrachtung eines Gesichtsausdrucks aktivieren und ein ähnliches Gefühl in uns stimulieren. Auf diese Weise werden Gefühle widergespiegelt. Das Lächeln eines anderen Menschen zeichnet sich in unserem Gehirn ab und wir lächeln zurück. So lässt es sich auch erklären, dass wir beim bloßen Zuschauen im Theater, im Kino oder vor dem Fernseher mit den Akteuren lachen und weinen können. Das Ergebnis gleicht dem, was wir Empathie zu nennen gewohnt sind. Im Versuch, den anderen zu verstehen, erkennen wir uns selbst. Es entspricht eigentlich der Gabe, sich in einen anderen einzufühlen. Der Gesichtsausdruck, den wir bei einem anderen sehen, oder spontane Bewegungen, die wir bei ihm
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