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Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Titel: Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
Autoren: Samy Molcho
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mobilisieren, um an einem Spiel teilzunehmen, obwohl er zwei Minuten vorher seiner Mutter erklärt hatte, zu müde zu sein, um seine Schulaufgaben zu erledigen. Uns allen geht es ganz genauso, in welchem Alter wir auch stehen: Unsere Müdigkeit verschwindet wie durch Zauber, wenn wir durch einen geliebten Menschen zu etwas animiert werden, das uns Spaß zu machen verspricht. Dagegen macht uns der tägliche Zwang zu ungeliebten Tätigkeiten nicht nur müde, sondern wirkt sich durch Energieverlust auch auf unser Immunsystem aus und macht uns krank.

    Ein Bild, zwei Reaktionen: Er geht auf Distanz, neigt sich zurück, der Blick zeugt von Missfallen. Die Partnerin ist ganz zugewandt und lächelt, weil ihr das Bild gefällt.
    Gefühl ist also etwas, das uns zur Aktivität zwingt. Es erweist sich als notwendig. Angstgefühle zum Beispiel aktivieren den Körper auf der Stelle entweder zum Wegrennen oder zum Kämpfen. Freudige Gefühle oder Gefühle von Genuss animieren dazu, sich den Quellen dieser Gefühle zu nähern, dazu, die Verbindung zu ihnen zu suchen, um an der Freude oder an dem Genuss teilzuhaben.
    Gefühle des Ekels, des Widerwillens provozieren ein Zurückweichen. Die Muskeln spannen sich in beginnender Fluchtreaktion an. Wir entziehen uns den Verhältnissen, die uns nicht gefallen, wir schaffen also wiederum Distanz.

    Nicht das Denken oder das pure Wissen schafft die Stimulanz; es sind die Gefühle, die unsere Einstellung zu den Dingen und Erscheinungen unserer Welt bestimmen. Diese Einstellung kann mit Assoziationen oder früheren Erlebnissen zusammenhängen, die wir mit der entsprechenden Situation in Verbindung bringen. Berührt uns etwas, aktiviert sich der Körper. Denken allein ohne Beziehung zu körperlichen Reaktionen bleibt eine unfruchtbare Bemühung.

Wörter, Begriffe und ihre tiefere Bedeutung
    Wörter wie »Gefühl« oder »Emotion« besitzen in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Bedeutung. Im Deutschen ist das Wort »Gefühl« vorrangig positiv besetzt, selten hören wir es in einem negativen Sinn. Ein »Gefühlsmensch« scheint uns in den meisten Fällen eher ein guter als ein schlechter Mensch zu sein. Das aus dem Lateinischen stammende Fremdwort »Emotion« (emovere) dagegen verbinden wir häufiger mit einer negativen Komponente: »Sei nicht so emotional!« oder: »Das sind doch alles nur Emotionen!« Emotion bedeutet den meisten von uns die Intensivierung einer an sich schon starken Reaktion, und eine übertriebene Aktivierung von Energie wird in einer geordneten Gesellschaft eher als negativ verstanden. Im Englischen wird »emotion« unter positiven wie negativen Aspekten gesehen, während das Wort »feeling«, wie auch als neudeutsches Leihwort, allein im positiven Sinn gebraucht wird, es sei denn, es ist ausdrücklich von »bad feelings« die Rede. Immer jedoch bedeutet Emotion Bewegung. Auch das Französische kennt die »émotion« als Ausdruck starken Gefühls, während dem deutschen Gefühlsausdruck eher das »sentiment« in vielerlei Variationen entspricht, von den »beaux sentiments« bis zu den »sentiments douloureux«.
    Von den Emotionen zur Aktivität: Situationen, die uns stimulieren, erzeugen körperliche Veränderungen, die wir als Emotion empfinden. Dabei handelt es sich aber nicht allein um eine physische Reaktion, nur weil das Gesamtsystem in Bewegung gerät. Um in Angst versetzt weglaufen zu können, muss ich mich zuallererst nach einem Fluchtweg umsehen: In welche Richtung will ich fliehen, wo habe ich eine Chance zu entkommen? Oder wäre es klüger, sich zu verstecken? In Bruchteilen von Sekunden habe
ich meine Möglichkeiten abzuschätzen. Das Gleiche gilt bei der Entscheidung zu kämpfen. Welche Taktik kann zum Erfolg führen? Wo ist mein Gegner? Wie stark wird er sein? Alle diese Denkprozesse laufen in Sekundenschnelle ab, kaum dass sie in meinem Bewusstsein haften bleiben. Konzentriert sich mein Augenmerk in einer solchen Ausnahmesituation allein auf die körperlichen Reaktionen, auf die zitternden Knie, das mulmige Gefühl im Magen, den Angstschweiß auf der Stirn, werde ich blind für die Außenwelt und bin außerstande, Entscheidungen zu treffen. Eine Blockade tritt ein, und schon befinde ich mich in einem Krampfzustand.
    Es geht immer wieder darum, dass Körper und Geist zu einer konzertierten Aktion stimuliert werden. Ich habe Hunger, fühle und höre meinen knurrenden Magen, streiche mit der Hand über die Magengegend und bin ganz darin vertieft, dem
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