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Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Titel: Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
Autoren: Samy Molcho
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sein, meine Grenzen zu öffnen. Kann ich das dazu notwendige Vertrauen in den anderen nicht aufbringen, wird es nie zu einer produktiven Gemeinschaft kommen. Das Gleiche gilt für neue Ideen, die von außen an uns herangetragen werden. Wir dürfen uns ihnen nicht versperren,
nur weil wir eine andere Vorstellung entwickelt haben. Es gilt vielmehr unvoreingenommen zu prüfen, welche neuen Möglichkeiten in der fremden Idee stecken könnten, und erst wenn wir feststellen sollten, dass keine verwertbaren Vorschläge vorhanden sind, können wir die Idee verwerfen und auf Distanz gehen. Eines sollten wir jedenfalls stets im Auge behalten: Vorurteile und Klischees stehen dem Neuen immer im Wege. Das fängt bei Äußerlichkeiten an, mit denen wir uns gar nicht aufhalten sollten, wie blond oder rot oder dick und dünn. Nicht anders ergeht es uns in unserer Arbeitswelt. Natürlich sollten wir unseren Vorstellungen folgen, wenn wir eine Idee haben. Bleiben wir jedoch gleichzeitig für Anregungen offen, die uns von außen zufliegen, können wir von der Erkenntnis überrascht werden, dass unser Glück und unser Erfolg auf ganz anderen Gebieten liegen. Was wie ein Zufall aussieht, erwächst uns tatsächlich aus unserer Offenheit für das Neue. Diese Bereitschaft dient unserem eigenen Wachstum, denn sie bedeutet, dass wir uns das Fremde aneignen und dass es ein Teil von uns selbst werden kann, wenn es sich als endgültig brauchbar für uns erweist. Tut es das nicht, werden wir es wieder abstoßen und ihm gegenüber eine neue Distanz errichten. Ist es uns dienlich, werden wir uns mit ihm verbinden, solange sich das Bedürfnis danach erhält. Sättigung erzwingt mit der Zeit einen Widerstand und der wiederum macht die Trennung unvermeidlich.
    Unsere Doppelnatur aus Körper und Geist bleibt selbstverständlich unauflösbar. Zu trennen ist sie höchstens provisorisch, indem ich, wie schon erwähnt, den Fokus meiner Konzentration auf eine der beiden Seiten meiner Natur über Wünsche, Gedanken oder Ideen so intensiv verstärke, dass ich meinen Körper vergesse, oder umgekehrt, dass physisches Geschehen mich so weit überwältigt, dass es meine Gedanken blockiert und damit auf Distanz hält. So viel ist klar: Jede Grenze bedeutet Distanz statt Nähe.
    Interessanter aber ist die Frage: Wann brauchen wir geistige Nähe und wann physische? Beide, so scheint es mir, füttern einander. Denn ohne Gefühle, also wenn das Gefühlszentrum ausgeschaltet ist - das haben wissenschaftliche Untersuchungen erwiesen -, können wir auch nicht denken.
    Der ausführende Teil des Denkprozesses ist der Körper. Beim Denken, beim Träumen ist immer der Körper das ausführende Organ, und nur in
der Verbindung mit ihm geben die Gedanken und Träume ihren Sinn preis.
    Unsere Gefühle geben die Werte vor. Die Unterscheidung heißt »angenehm« oder »nicht angenehm«, worauf dann »gut« oder »schlecht« basieren. Das eine beruft die Nähe, das andere die Distanz. Die Balance zwischen beiden ist ein altes Menschheitsspiel.
    Um diesen ewigen Tanz zwischen Nähe und Distanz: »Ich will, will nicht. Ich brauche, brauche nicht«, zu verstehen, benötigen wir eine tiefere Einsicht in all das, was wir unter den Begriffen Gefühl oder Emotion subsumieren.

Was bedeuten unsere Gefühle?
    Was ist die Funktion von Gefühl in unserem Körper? Eines setze ich als gegeben voraus: Alles, was mich nicht berührt, lässt mich Gleichgültigkeit empfinden. Bin ich gleichgültig, bewege ich mich nicht, denn es gibt keinen Anlass dafür. Werde ich dagegen von irgendetwas berührt, geschieht etwas in mir. Ein Geschehen, das mich weder berührt noch stimuliert, bleibt draußen. Es wird mir nicht zum Erlebnis und prägt sich deshalb auch nicht ein. Ein Geschehen dagegen, das mich berührt, stimuliert mich und führt damit automatisch zu einer Aktion. Von der Wichtigkeit, die ich dem Geschehen zumesse, hängt die Intensität ab, mit der ich es erlebe. Die Intensivierung des Erlebnisses an sich aktiviert auch meine Energie. Die Stärke der energetischen Aktivierung ist subjektiv gesteuert, verändert sich von Person zu Person, je nachdem, wie stark das Geschehen von dem einen oder dem anderen erlebt wird und wie hoch es in seiner Wichtigkeit bewertet wird. So kann die Stärke der persönlichen Stimulierung durch ein gleichartiges Geschehen ganz unterschiedlich ausfallen. Dazu ein Beispiel aus dem Alltag: Ein kleiner Junge liebt es, Fußball zu spielen. Er wird problemlos Energien
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