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Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Titel: Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
Autoren: Samy Molcho
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gemeinsam ein neues Wir, ein Element, das wir Wasser nennen. Um die ursprünglichen Elemente wiedererkennen zu können, müssten sie aus dem neuen Zusammenhang gelöst, also getrennt werden.
    Der Prozess einer solchen Verschmelzung, aus der etwas Neues erschaffen wird, gleicht wiederum einer kreativen Entwicklung. Wir sehen daraus, dass jede neue Schöpfung einer Vereinigung von vorher Getrenntem bedarf. Statt Distanz brauchen wir nun die Nähe. Diese Nähe ermöglicht durch Fusion das Entstehen von Neuem. Es können zwei Elemente sein, die sich vereinigen, es können aber auch unbegrenzt viele Elemente zur Fusion gebracht werden. Auf diese Weise entstehen Gruppen, entstehen Atome, entstehen Strukturen. Aus der Fusion von Elementen ist der gesamte Kosmos gebaut. Dem allen liegt ein Austausch zugrunde. Elemente verändern sich durch Verlust und Zuwachs. Es ist ein unendlicher dynamischer Prozess von Geben und Nehmen. Das Leben selbst ist diesem Austausch zu verdanken, dieser Fusion von Elementen untereinander.
    Natürlich existiert auch im kosmischen Prozess ein einseitiges Nehmen, das sich zerstörerisch auswirkt. Einzelne Elemente gehen dabei einfach verloren. Vielleicht aber ist auch dieser Vorgang nicht umsonst, weil ihr Verschwinden dem zurückbleibenden Element erlaubt, größer zu werden oder sich mit wieder anderen Elementen anzureichern. Das Ideal jedoch bleibt die Balance zwischen zwei oder mehreren Elementen, mit der die Einseitigkeit überwunden wird.
    Was für den Kosmos gilt, trifft genauso für die Menschenwelt zu. Auch wir leben in einem Beziehungsnetz sich anziehender und abstoßender Elemente. Kinder verlassen Vater und Mutter und gründen ihre eigenen Familien, und wir bilden Großfamilien, Gesellschaften, Vereine und vielleicht sogar Völker. Innerhalb eines jeden dieser neu begründeten »Wir«, dieser neuen Systeme, entsteht ein Austausch unter seinen Einzelteilen. Sie werden verstärkt oder für ganz neue Aufgaben fit gemacht, die für das System von Nutzen sind. Damit wiederum wird die Effektivität der Teile und des Ganzen verstärkt.
    Wir sind aufeinander angewiesen, auf den Austausch miteinander. So ist es zwischen einzelnen Menschen, so ist es auch zwischen Gruppen, und
genauso ist es in uns selbst, in unserem eigenen körperlichen und seelischen System. Wir sollten nicht gegeneinander kämpfen, sondern miteinander die Balance suchen, die Balance zwischen Nähe und Distanz: der Verkäufer mit dem Käufer, der Produzent mit seinem Auftraggeber, der Chef mit der Sekretärin, der Liebhaber mit der Geliebten. Wenn sich alle daran hielten, würde viel Zeit und Energie eingespart, die sonst so oft für gegenseitige Vorwürfe, für Misstrauen und Streit verschwendet werden. Vielleicht sollten wir uns tatsächlich bemühen, einander zu dienen, zum Wohl aller. Das hielte den dynamischen Prozess des Austauschs in Gang, ohne zu stocken. Im Sinne dieses Austauschs befinden wir uns alle in einem Netz, in dem jeder jeden braucht, ganz abgesehen davon, dass dieses Netz seinerseits von einem höchst delikaten ökologischen System in Balance gehalten wird. Wir können uns, wie schon erwähnt, ganz auf eine einzige Sache konzentrieren, ihr unsere gesamte Energie widmen. Alles andere muss sich mit weniger Energie begnügen, solange jene Sache alle Konzentration beansprucht. Wir schalten aber wieder um, verringern den Energiezustrom auf diese Hauptsache, erreichen einen Energieausgleich und damit einen ruhigeren Bewusstseinsfluss.
    Die große Komplexität des Menschen liegt in seinem Bewusstsein begründet. Unser Geist erlaubt uns, die Vielfalt der Welt zu erkennen: Ich erkenne eine Idee, und ich erkenne sie daran, dass sie sich von einer anderen unterscheidet. Ich weiß, dass ich denke, weil ich zwischen dem zu differenzieren vermag, was ich denke, und dem, was ich nicht denke, weil ich meinen Gedanken von dem eines anderen unterscheiden kann.
    Ich kann begreifen, dass meine Empfindungen stets aus einem Geschehen resultieren: eine Veränderung hat stattgefunden. Verändert sich nichts, ist Stillstand eingetreten. Empfindungen, Emotionen, Gefühle sind eine Antwort auf Veränderung. Unser Geist, oder sagen wir vielleicht besser: unser Vorstellungsvermögen ermöglicht es uns, Wünsche oder Träume bewusst zu machen. Deshalb hängt die Qualität unseres Austauschs mit der Welt von unserer subjektiven Einstellung zu den Dingen ab.
    Um Nähe, eine Verschmelzung mit etwas Fremdem, zu erreichen, muss ich bereit
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