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Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Titel: Um Mitternacht am schwarzen Fluß
Autoren: Stefan Wolf
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sich
etwas abzweigten, bedurfte keiner Begründung. Unter der Hand wollten sie die
Waffen verkaufen, was ein nettes Zubrot war.
    Muhson kaute auf der Unterlippe.
Schließlich nickte er.
    „Wer bleibt hier? Wer bringt den Wagen
zur Spedition?“
    „Carlo bleibt hier. Ich liefere den
Brummi ab. Mit meinem Golf komme ich zurück. Den kann ich dort hinter den Büschen
verstecken. Außerdem ist es ja nur bis morgen abend.“
    Muhson starrte in die Büsche, als hätte
er dort einen Wisent entdeckt — was leider nicht möglich ist: wegen totaler
Ausrottung jener dem Bison verwandten Wildrinder in Mitteleuropa.
    „Es könnte etwas länger dauern, Männer“,
sagte er dann und war bemüht um Heiterkeit in der Stimme.
    „Was?“ fragte Werdy.
    „Nur eine kleine Verzögerung. Kein
Grund zur Aufregung, Männer.“
    „Was meinen Sie, Chef?“ fragte Carlo
und hatte sein Grinsen nahezu eingestellt.
    „Ach, der Syrer, dieser Selemiye, ihr
wißt schon — der Abnehmer... Heute morgen hat er aus Wien angerufen. Er hat
irgendwelche Schwierigkeiten und kommt erst nächste Woche. Mitte nächster
Woche.“
    Werdy prustete durch die Lippen. „Bei
diesen Typen heißt das doch, er kommt überhaupt nicht.“
    In Gedanken setzte er hinzu: Mir soll’s
egal sein. Ich verkaufe ja die Waffen nicht. Aber Muhson sitzt jetzt drauf mit
seinem breiten Hintern.
    „Das will ich nicht sagen.“ Muhson ließ
seine Zähne strahlen, was Zuversicht ausdrückte. Aber die Geste war nichtig wie
das Gebrabbel eines Politikers bei einer Absichtserklärung: hohle
Versprechungen, denen keine Tat folgt.
    „Sondern?“ Das war Carlo.
    „Er wird kommen. Bestimmt. Wenn nicht,
verkloppe ich die Ware an einen andern. Ich finde schon Abnehmer. Aber wir
können die Kisten nicht allein lassen. Ihr müßt sie bewachen.“
    Werdy stöhnte. Carlo begann wieder zu
grinsen.
    „Selbstverständlich bezahle ich euch
bestens“, beschwichtigte Muhson. „Stundenlohn — wie gehabt. Erst mal kriegt ihr
jetzt eure Kohle. Mittwoch rechnen wir abermals ab. Außerdem ist es doch nett
hier draußen. Frische Luft und Natur. Die reinste Erholung.“
    „Und ein bißchen verseuchter Boden“,
sagte Werdy.
    „Ach, das ist doch Gerücht.“ Muhson
schwang den Arm durch die Luft: eine Geste, die alles umfaßte. „Würde sonst
dieser Wildwuchs gedeihen?“
    „Wachsen will ich nicht mehr“, murmelte
Werdy. „Und wild bin ich schon gar nicht. Also gut, wir übernehmen das. Nachher
bringe ich für Carlo und mich Schlafsäcke mit — und Verpflegung. Aber
Dienstagabend putzen wir die Platte. Anderntags fängt nämlich unser Dienst
wieder an.“
    Muhson nickte. Als er die
erwartungsvollen Blicke bemerkte, zückte er die Brieftasche und begann, den
vereinbarten Lohn auszuzahlen.
    Werdy überlegte. War es notwendig, Muhson
von dem Unfall mit den drei Jugendlichen zu berichten?
    Er entschied, daß der Chef Bescheid
wissen müsse. Carlo blickte böse, als Werdy erzählte.
    Muhsons Gesicht lief rot an.
    „Solche Blödheiten“, zischte er, „gefährden
den ganzen Coup. Wenn sich die Bälger das Kennzeichen gemerkt haben, kommt noch
was nach.“
    Ihm fiel was ein. Für einen Moment ließ
er den Mund offen. „Wie viele waren das? Wie sahen sie aus?“

    „Drei insgesamt“, antwortete Werdy und
strich über seinen borstigen Schädel. „Und ein Hund. Ein Cocker, glaube ich.
Zwei Mädchen waren es, eine blonde und eine dunkle. Und der Bengel war ziemlich
dürr und bebrillt.“
    Muhson nickte. „Die kenne ich. Ihr habt
Glück gehabt. Alle sind am Seehotel angekommen. Verletzt ist niemand, soweit
ich sah.“
    Er steckte die Brieftasche ein und
wandte sich zur Mühle. „Zwei Muster zum Vorzeigen nehme ich mit. Könnte ja
sein, ich stoße auf einen anderen Käufer.“
    Sie gingen in die Mühle.
    Carlo und Werdy mußten zwei Kisten
öffnen, und Muhson bediente sich. Fachmännisch beäugte er den bulligen Revolver
und die schwere Pistole. Alles war fabrikneu. Sie rochen nach Waffenöl. Auch
zwei kleine Schachteln Munition nahm er mit.
    „Falls was ist“, meinte er abschließend,
„wir wohnen bis auf weiteres im Seehotel. Aber ich möchte nicht, daß ihr dort
abends an der Bar rumlungert. Euer Job ist hier. Nur wenn wirklich ein Grund
vorliegt, nehmen wir Verbindung auf.“
    Sie sahen ihm nach, als er durchs
kniehohe Gras zu seinem Porsche stiefelte.
    „Blöder Hund“, knurrte Carlo. „Und du
bist ein verdammter Verräter.“
    „Er mußte es wissen. Wenigstens können
wir jetzt ruhig
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