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Ulysses Moore – Die Insel der Masken

Ulysses Moore – Die Insel der Masken

Titel: Ulysses Moore – Die Insel der Masken
Autoren: Pierdomenico Baccalario
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schlug den Deckel ganz zurück und eine Staubwolke stieg auf.
    Das Licht des Leuchtturms wanderte erneut durch den Raum.
    »Wunderschön«, flüsterte Julia, als ihr Blick auf einen roten Stoff fiel, der sich in der Truhe befand. Darauf lagen duftende getrocknete Beeren, die wahrscheinlich Motten und Nagetiere fernhalten sollten.
    »Sieht wie ein Mantel aus«, sagte Jason. Behutsam strich er über das weiche Material, in das silberfarbene Fäden eingewebt worden waren und das mit roten Blumenranken bestickt war, die im Licht sanft schillerten. Jason nahm das Tuch aus der Truhe und darunter kamen drei Fächer zum Vorschein, in denen Masken aus weißem Pappmaschee lagen.
    »Venezianische Masken!«, rief Julia und nahm vorsichtig eine heraus. Sie hatte eine spitz zulaufende Nase, auf die zwei goldene Tränen gemalt waren. An der Stirn war ein nachtschwarzer Stoff befestigt. Auch die anderen drei Masken waren mit großen schwarzen Stoffstücken verbunden, die man am Hals mit Broschen schließen konnte. »Das sind Umhänge«, sagte Julia und breitete sie zusammen mit den Masken auf dem Fußboden aus.
    In den Fächern fanden sie außerdem mehrere Taschentücher mit den eingestickten Monogrammen U. M. und P. M., ein Paar Spitzenhandschuhe, einen sehr langen Wollschal, eine Brosche in Form eines Windhunds, ein Opernglas, einen Gehstock mit einem Messingknauf und einen sehr ausgeblichenen Stadtplan von Venedig aus dem 18. Jahrhundert. Das Papier der Karte war schon so dünn und verschlissen, dass es beinahe zerriss, als Jason es auseinanderfaltete. Ganz unten in den Fächern lagen Textheftchen zu einer Komödie und Einladungskarten in zerknitterten Umschlägen, die den Aufdruck »Teatro Sant’Angelo« trugen.
    Die Zwillinge sahen sich alles genau an und versuchten sich vorzustellen, wozu diese Dinge gedient haben mochten.
    Nestor erzählte ein bisschen was über die Feste und den Alltag im Venedig jenes fernen Jahrhunderts. Als die zwei ihn fragten, woher er das alles wisse, antwortete er, er hätte es von Ulysses Moore und dessen Frau erfahren. Fast eine Stunde lang vergaßen Jason und Julia, dass sie auf dem staubigen Dachboden der Villa Argo saßen und stellten sich vor, stattdessen in der geheimnisvollen Stadt der Kanäle zu sein, in atemberaubenden Ballsälen zu tanzen, umgeben von Masken, Musik, Gesang und Gelächter.
    Beinahe wären sie mitten in ihrem Traum eingeschlafen. Doch Nestor hatte gemerkt, dass sie immer öfter gähnten und meinte schließlich: »Ich glaube, es wird Zeit für euch, schlafen zu gehen. Ihr habt morgen Schule.«
    Jason setzte eine der Masken auf, drehte sich dann ruckartig zu seiner Schwester um und stieß einen wilden Schrei aus.
    »Uäääähh!«, kreischte Julia. »Hör auf damit! Das ist überhaupt nicht lustig!«



Von den Kanälen der Stadt stieg Nebel auf. Er schob sich zwischen die Häuser, verschlang das eine oder andere für eine Weile und ließ es dann wieder frei. Die Gondolieri schliefen in ihren langen schwarz lackierten Booten. Sie hatten sich in Wolldecken eingewickelt und achteten nicht auf die Geräusche um sich herum.
    Nachts waren in Venedig vor allem maskierte Gestalten unterwegs. Eine von ihnen, eine sehr magere, geisterhaft wirkende in einem violetten Umhang, ging mit entschlossenen Schritten an den Kanälen des alten Ghettos entlang. Sie trug Schuhe mit sehr hohen Absätzen. Je weiter sie ins Innere des Viertels vordrang, desto weniger kannte sie sich aus. Auch die seltsamen Namen der Gassen machten es ihr nicht gerade leichter, sich zu orientieren. Dennoch schritt sie zügig voran.
    Nachdem sie über eine weitere kleine Brücke gegangen und danach rechts abgebogen war, blieb sie unvermittelt stehen. Sie hatte einen engen Durchgang zwischen alten, verfallenen Häusern erreicht. Aus den Schornsteinen der modrigen Gebäude stieg kein Rauch auf, alle Fenster waren dunkel.
    Sie war in der
Calle dei Morti
angelangt, der Gasse der Toten.
    »Sie sind spät dran ... «, zischte eine Stimme. Sie gehörte einem Mann, der nun aus dem Schatten des kleinen Durchgangs heraustrat. Er trug eine graue Maske mit einem langen Rabenschnabel und einen rauchblauen Mantel, in dem er wie ein großer Vogel mit hängenden Flügeln aussah.
    »Ich habe mich beeilt, aber ... mit diesen Schuhen ... «, beklagte sich die andere Gestalt. Sie setzte sich auf eine Treppenstufe, streckte die Beine aus und bog den Kopf zurück. Dabei kam ein schlanker Hals zum Vorschein. »Ich bekomme kaum noch Luft
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