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Ulysses Moore 6: Der erste Schlüssel (German Edition)

Ulysses Moore 6: Der erste Schlüssel (German Edition)

Titel: Ulysses Moore 6: Der erste Schlüssel (German Edition)
Autoren: Pierdomenico Baccalario
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…« Jasons Beine zitterten und seine Schwester begleitete ihn zu den Zinnen an der Innenseite der Festung.
    »Setz dich hier hin. Fühl mal, wie dick und stabil die Mauer ist. Es kann gar nichts passieren.«
    »Julia …« Jasons Stimme hatte mit einem Mal einen schrillen Unterton angenommen.
    »Was?«, fragte sie. Sie folgte Jasons Blick und konnte nur mit Müh und Not einen Schrei unterdrücken.
    Wenige Schritte von ihnen entfernt lag ein Toter. Er war wie ein Ritter aus dem Mittelalter gekleidet und lehnte an der Wand des Wehrgangs. Seine Hände umklammerten den Stiel einer Hellebarde.
    »Ist das … ein Wachtposten?«, stammelte Jason.
    »Die beiden könnten ihn umgebracht haben«, vermutete Julia.
    »Mörder, die Kamille pflücken? Komisch …«
    »Der Mann trug Turnschuhe.«
    »Klar. Und er hatte auch sicher ein Handy dabei.«
    »Nein, im Ernst. Wie deine alten Nike-Turnschuhe.«
    Jason atmete tief durch. Langsam kehrte die Farbe in sein Gesicht zurück und er schaute sich um. »Wir sind im Mittelalter gelandet!«
    »Aber ich schwöre dir …«
    Jason stand auf und ging zu dem Soldaten. »Sieh doch: Tunika, Umhang, Kettenhemd und Speer.«
    »Man nennt das Ding Hellebarde«, verbesserte Julia ihn. »Was machst du da?«
    »Ich schaue nach, ob er wirklich tot ist.« Jason legte eine Hand auf die Brust des Fremden. Weil er dort nichts spüren konnte, griff er nach dem Handgelenk. Dadurch rutschte die Hellebarde zwischen zwei Zinnen. Jason tastete den Arm des Soldaten ab. »Er ist nicht tot! Ich spüre seinen Puls.« Dann beugte er sich zu dem Gesicht des Mannes herunter und schnupperte an dessen Atem. Er roch nach Kamille. »Der schläft nur.«
    »Ich schlage vor, dass wir gehen, bevor er aufwacht«, sagte Julia.
    Jason nickte. »Gute Idee. Aber wohin?«
    Seine Schwester zeigte zum Wehrgang. »Wenn wir nicht zurückwollen, bleibt uns nur eine Richtung.«
    »Gut.« Jason entfernte sich von dem schlafenden Soldaten, wobei er über den Stiel der Hellebarde stolperte.
    »Pass auf!«, rief Julia.
    Doch bevor Jason etwas tun konnte, stürzte die Waffe in die Tiefe.



Gwendaline Mainoff saß am Steuer ihres bonbonfarbenen Wagens und brachte es einfach nicht fertig, das Lenkrad loszulassen. Das Auto stand, der Motor war ausgeschaltet und nur die Scheibenwischer schleiften alle fünf Sekunden über die Windschutzscheibe, obwohl es nicht mehr regnete. Die Friseurin von Kilmore Cove starrte mit halb geöffnetem Mund ins Leere. Sie war so verwirrt wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
    »Habe ich etwas falsch gemacht?«, fragte sie sich zum x-ten Mal.
    Mrs Covenant war sehr nett zu ihr gewesen, ganz im Gegensatz zu Oblivia. Sie hatte Gwendaline betrogen, ja, genau das hatte sie getan. Wie ein dummes kleines Mädchen hatte sie sie behandelt.
    »Ich bin zweiunddreißig Jahre alt«, sagte Gwendaline zu ihrem Spiegelbild in der Windschutzscheibe.
    Dann grübelte sie weiter über das nach, was geschehen war.
    »Oblivia hat gesagt, Manfred wollte nur kurz ins Haus, um sich eine Tür anzuschauen, wegen einer Sammlung …« Sie zählte die einzelnen Sätze an ihren Fingern ab.
    »Sie sind mit mir zur Villa Argo gefahren, wo ich Mrs Covenant die Haare färben sollte. Dann waren sie plötzlich verschwunden. Und als Mrs Covenant mich gefragt hat, wo denn mein Gehilfe geblieben sei, habe ich sie angeschwindelt. Ich habe ihr erzählt, er sei zu Fuß ins Dorf zurückgelaufen. Obwohl ich nicht die leiseste Ahnung hatte, wo die beiden stecken könnten.«
    Gwendaline war beim sechsten Finger angelangt. Sie hatte begriffen, dass irgendetwas nicht stimmte. Dass es naiv gewesen war, Oblivia Newton zu vertrauen.
    »Dumm«, hätte ihre Mutter gesagt. »Dumm«, sagte Gwendaline zu ihrem Spiegelbild.
    Es war schon fast Zeit fürs Abendessen. In den Fenstern der Häuser brannte Licht und in den Straßen roch es nach heißem Fett: Mrs Fisher, die am hinteren Ende von Kilmore Cove wohnte, frittierte wohl wieder den üblichen Berg Pommes frites, mit dem sie den Hunger ihrer sieben Söhne zu stillen hoffte. Irgendwo in der Ferne bellte ein Hund.
    »Und wenn sie etwas gestohlen haben?«, überlegte Gwendaline laut. »Während ich mich um Mrs Covenant gekümmert habe, konnten sie sich ungestört im Haus umsehen und …«
    Ganz in diese beunruhigenden Gedanken versunken, biss sie auf ihren Fingerknöcheln herum.
    »Ich will nicht, dass sie mich für eine Diebin hält!«, rief Gwendaline. Dabei schlug sie so heftig auf das Lenkrad, dass die Hupe losging.
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