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Über Stock und Runenstein

Über Stock und Runenstein

Titel: Über Stock und Runenstein
Autoren: Charlotte MacLeod
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überprüfen. Eine hartnäckige Witwe, die
hinter einer fetten Provision her war und einen nichtsnutzigen Sohn hatte, der
vielleicht eher bereit war, eine kleine schmutzige Arbeit für seinen Chef zu
verrichten, als wegen Unfähigkeit gefeuert zu werden, erschien ihm nicht gerade
unverdächtig. Auch daß der Bruder ausgerechnet Polizeichef war, stellte in
diesem Fall eher einen Vorteil als ein Hindernis dar. Statt seiner Schwester
ihre Winkelzüge zu verbieten, wie es eigentlich seine Pflicht wäre, war er
vielleicht durchaus geneigt, aus brüderlicher Liebe ein Auge zuzudrücken, weil
ihm die Alternative, für sie und den Neffen sorgen zu müssen, nicht gerade
angenehm erschien oder weil er sich selbst ein gutes Geschäft versprach. Aber
wie stand es mit den anderen Interessenten, die sich die Farm angesehen hatten
und die Taschen voll Dollarnoten hatten? Shandy erkundigte sich nach ihren
Namen, aber Henny konnte sich nicht mehr erinnern, und dasselbe galt auch für
Miss Hilda. Hatte Gaffson sie abgeschreckt, indem er den Preis in die Höhe
getrieben hatte? War er der einzige ernsthafte Interessent? Oder war er
lediglich der einzige Mensch, der ehrlich oder ungeschickt genug war, seine
Karten offen auf den Tisch zu legen?
     

Kapitel
4
     
     
     
     
     
     
    Shandy wollte jedoch keine voreiligen
Schlüsse ziehen, was Loretta Fescue und ihre Klienten betraf. Es gab nämlich
eine noch naheliegendere und unangenehmere Möglichkeit.
    »Mr. Horsefall«, fragte er, »könnten
Sie mir vielleicht sagen, wer Ihren Besitz erbt, falls Ihnen und Miss Horsefall
etwas, eh, zustoßen sollte?«
    »In meinem Alter kann mir bestimmt bloß
noch eins zustoßen«, ließ die Tante vernehmen. »Ich nehm’ an, daß ich ziemlich
bald abkratzen werd’, un’ ich glaub’, daß Henny es ohne mich auch nich’ allzu
lang aushält. Glauben Sie nich’, wir hätten uns das nich’ gründlich überlegt.
Wer das alles mal kriegen soll? Das einzige, worüber wir uns wirklich einig
sind, is’, daß wir unsren Besitz nich’ aufteilen wollen. Da wären die beiden
Großneffen von Henny, Eddie un’ Ralph, die beide ihren rechten Arm für die Farm
geben würden, aber sie sagen’s nich’ grad heraus, weil’s beide nette Kerle
sind, die uns nich’ wehtun wollen. Wir können uns bloß nich’ einigen, wem wir’s
geben sollen.«
    »Warum vererben Sie es den beiden denn
nicht zu gleichen Teilen?« schlug Shandy vor.
    »Ham wir auch schon dran gedacht. Eddie
un’ Ralph wären ‘n prächtiges Gespann, un’ die Kinder auch. Aber die zwei
Teufelinnen, die sie geheiratet ham, kann man nich’ mal fünf Minuten im selben
Zimmer lassen, ohne daß sie sich in’n Haaren liegen. Die würden die alte Farm
schon zugrunde richten, bevor wir ganz unter der Erde sind.«
    »Das bedeutet also, Sie haben noch kein
endgültiges Testament gemacht?«
    »Nee, noch nich’.«
    »Was würde geschehen, wenn Sie beide
sterben würden, bevor das Testament aufgesetzt wäre?«
    Miss Hilda schnaubte. »Wasses auch
wär’, in dem Fall würd’s uns sowieso schnurz sein, meinen Sie nich’? Kann mir
allerdings gut vorstellen, was passieren würd’, nämlich daß sämtliche Horsefalls
von hier bis zur Hölle aufkreuzen un’ sich gegenseitig an die Gurgel springen
würden, um zu gucken, wer’s dickste Stück abkriegt. Ham uns seit Jahren in’n
Ohren gelegen, wir hätten gern dies, wir hätten gern das, un’ ob wir nich’ auch
fänden, daß es ‘ne gute Idee is’, jetz’ alles zu verkaufen un ‘s Geld in der
Familie aufzuteilen, so daß jeder sich die Erbschaftssteuer sparen kann. Ich
hab’ denen gesagt, wie hirnverbrannt ich’s finde, un’ daß sie kriegen werden,
was wir für sie bestimmt haben. Aber ers’, wenn Henny un’ ich alles überstanden
haben, un’ keinen Moment früher.«
    »Es gibt also keinen Verwandten, der
einen besonderen Anspruch auf den Besitz erhebt?«
    »Nich’, daß man’s merkt, ‘s wird jeder
für sich kämpfen, un’ den letzten beißen die Hunde. Weiß’ du, Henny, wir
machen’s Testament doch zugunsten von Ralph.«
    »Ich will aber, daß Eddie die Farm
kriegt«, konterte ihr Neffe, aber er war zu niedergeschlagen über den Tod von
Spurge, um viel Kampfgeist in seine Antwort zu legen.
    »Bis jetzt wissen also sowohl Ralph als
auch Eddie, daß Sie sich noch nicht zwischen ihnen entschieden haben?« fragte
Shandy.
    »Nun, sie wissen nich’, daß wir uns
entschieden haben«, erwiderte Henny mit der Vorsicht eines echten
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