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Über Stock und Runenstein

Über Stock und Runenstein

Titel: Über Stock und Runenstein
Autoren: Charlotte MacLeod
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zuviel verlangt, wenn ich Sie
bitten würde, sich endlich vorzustellen?«
    »Schon in Ordnung.« Der Mann spuckte
ein weiteres Mal auf den Boden. »Der Mensch hat doch wohl ‘n Recht
rauszufinden, was in der Welt so vor sich geht, oder nich’? Da Sie so freigebig
mit Informationen um sich schmeißen, die keiner hören will, kann ich Sie das
genauso fragen. Wer zum Teufel sind Sie denn?«
    Cronkite hatte vielleicht seine
Schwächen, wenn es um die Reinhaltung der Sprache ging, doch er hatte sehr
ausgeprägte Vorstellungen, was Majestätsbeleidigungen betraf. »Vor Ihnen steht
Herr Professor Shandy vom Balaclava College«, informierte er den Übeltäter mit
einer Stimme, in der eisiger Tadel mitschwang. »Und das hier, Professor Shandy,
ist Fergy. Ihm gehört der kleine Laden da unten, der bloß ‘n Katzensprung — eh,
ich meine, der hier ganz in der Nähe ist, ›Fergys Schnäppchen-Scheune‹. Sie
sind bestimmt schon dort vorbeigefahren.«
    Shandy erinnerte sich, seine Augen
gequält abgewendet zu haben, als sie an einem Ort vorbeigekommen waren, den er
zunächst für einen Müllabladeplatz gehalten hatte, der sich aber bei
nochmaligem Hinschauen als eine Art Warenlager unter freiem Himmel entpuppt
hatte. Er hatte dem lieben Gott gedankt, daß er Helen nicht mitgenommen hatte,
da Örtlichkeiten, an deren Eingang sich zerbeulte Schaufensterpuppen mit langen
Röcken, Hauben mit flatternden Bändern und Umhängetüchern befanden und hinter
denen sich Berge von rostigen Wasserboilern und Bettfedern türmten, in ihr den unwiderstehlichen
Wunsch weckten, einmal kurz nachzusehen, was es dort Faszinierendes zu kaufen
gab.
    Fergy nickte und vergaß seine
Feindseligkeit angesichts derartiger Prominenz. »So isses. Hab’ Sie eben die
Straße raufdonnern sehen, als wär’ Ihnen ein Präriebrand aufn Fersen. Nettes
Auto, was Sie da haben. Wie wär’s, wenn Sie’s mit ‘ner echten
Pierce-Arrow-Kühlerfigur von 1939 verschönern würden?«
    »Vielen Dank, eh, aber ich glaube, das
lassen wir lieber. Meine Frau ist mehr für das Einfache.«
    Fergy musterte die bescheidene
Erscheinung des Professors von oben bis unten. »Schon klar«, brummte er. »Na ja,
versuchen schadet nix, wie schon damals der Doktor so schön sagte, als er mich
‘s erste Mal zu Gesicht kriegte. Ham die Verwandten von Spurge sicher auch
gesagt. Aber du hast doch grad gesagt, Henny hätt’ sich aufgeregt, Cronk. Was
is’ denn nun mit Spurge los?«
    »Er hat den Kreiselstreuer
saubergemacht und dabei ‘ne Ladung Löschkalk mitten ins Gesicht gekriegt. Gott
weiß, wie das passieren konnte.«
    »Heiliges Kanonenrohr! Das hätt’ ihn
glatt umbringen können.«
    »Hat es auch.«
    »Das wüßt’ ich!«
    Wenn ein echter Yankee sagt »Das wüßt’
ich!«, bezweifelt er damit keineswegs das Gesagte. Er meint vielmehr: »Ich bin
außerordentlich erstaunt über das soeben Gehörte!« Cronkite Swope war dies
natürlich bekannt, doch als echter Vollblutreporter fuhr er selbstverständlich
mit seinem Bericht fort und zog dabei alle Register seines
Journalistenrepertoires.
    »Am Morgen des 18. Juni ahnte Spurge
Lumpkin noch nichts von seinem — weiß hier zufällig jemand, ob Spurge von
diesem Canute Lumpkin abstammt, mit dem sich Miss Horsefall damals immer — eh,
ich meine, von dem sie sagt, daß er sich damals so für den Runenstein
interessiert hat?«
    »Welcher Runenstein?« fragte Shandy.
    »Der da drüben am Hügel, wo die großen
Eichen stehen. Miss Horsefall wollte mich gerade hinführen, um zu sehen, ob wir
dort irgend etwas Interessantes finden könnten, als wir dieses schreckliche
Geschrei hörten und — den Rest wissen Sie ja bereits. Spurge war wohl der letzte
Lumpkin, oder? Gibt es noch andere Lumpkins hier, Fergy?«
    »Ja, gibt es. Meinen verhaßten Rivalen,
Nutie der Schleimer.«
    Fergy fand sich offenbar äußerst
witzig, und Cronkite schien seine Meinung zu teilen. Nach einigem Nachdenken
wußte auch Shandy, wen Fergy meinte. Helen hatte ihn unlängst überredet, einen
wunderbaren, faszinierenden kleinen Antiquitätenladen mit dem Namen »Nuties
Nische« aufzusuchen, unter dem reichlich durchsichtigen Vorwand, sie brauchten
unbedingt noch eine Seemuschel für die Etagere in der Wohnung. Ihr Gatte war so
erstaunt gewesen, daß es ihm die Sprache verschlagen hatte, als sie nach
wenigen Minuten wieder aus dem Geschäft geeilt war, ohne sich auch nur nach dem
Preis für einen einzigen Gegenstand erkundigt zu haben. Anschließend hatte sie
ihm im
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