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Über Stock und Runenstein

Über Stock und Runenstein

Titel: Über Stock und Runenstein
Autoren: Charlotte MacLeod
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Solanum-Familie«,
erklärte Shandy. »Genauso wie die Tomate, und ist anfällig für Pilzkrankheiten,
die dann auf verwandte Pflanzen übertragbar sind. Ich weiß nicht, ob das
Verstreuen von Tabak über ein Feld mit empfindlichen jungen Tomatenpflanzen
dazu führen kann, daß eine Krankheit übertragen wird, die sämtliche Pflanzen
vernichtet, aber man könnte es als verdammt häßliches Experiment in diese
Richtung sehen. Und Sie sind ganz sicher, Mr. Horsefall, daß es niemand aus der
Lewis-Familie war?«
    »So was würden die nie machen.
Unmöglich. Zum Teufel, wir sind schließlich schon seit drei, vier Generationen
Nachbarn. Kinderstreiche gibt’s immer mal wieder, aber das hier ist doch was
andres.«
    »Da haben Sie allerdings recht«, sagte
der Professor und dachte daran, wie Spurge ausgesehen hatte, als er ihn zuletzt
gesehen hatte. »Sie haben also keine Ahnung, wer all diese Anschläge verübt
haben könnte?«
    »Menschenskind, wenn ich das wüßte,
würd’ ich wohl kaum so dämlich hier rumstehen, sondern meine Knarre schnappen
un’ den Schweinehund abknallen. Un’ Steinsalz würd’ ich diesmal auch nich’
reintun, darauf könnt ihr verdammt nochmal Gift nehmen!«
    »Ich kann Ihre Gefühle verstehen, Mr.
Horsefall.«
    »Sie können verflucht gar nichts
verstehen. Spurge un’ ich ham zusammen die Felder hier bearbeitet — « Der alte
Mann kämpfte mit den Tränen.
    Tim faßte seinen Freund am Arm. »Komm
schon, Henny. Am besten, du gehst ins Haus und genehmigst dir ‘nen ordentlichen
Schluck von Tante Hildas Kopfschmerzmedizin. Die Polizei muß auch jeden Moment
kommen und will dann bestimmt mit dir reden.«
    »Reden? Is’ schon verdammt viel zuviel
geredet worden, statt was zu tun.«
    Trotzdem ließ sich Henny von Professor
Arnes ins Haus führen. Cronkite Swope blieb voller Hoffnung zurück.
    »Werden Sie Licht in die Sache bringen,
Professor Shandy?«
    »Wie in Drei-Teufels-Namen soll ich das
jetzt schon wissen? Auf gefallen ist mir bisher nur eins, daß Sie nämlich hier
in der Gegend herumstehen und nach einer guten Story lechzen, die Ihren Namen
auf das Titelblatt vom Berkshire Boten bringen wird, wenn Ihnen das
weiterhilft. Wer kommt denn da schon wieder? Doch wohl nicht der Arzt?«
    Eine massige Gestalt mit einem
mächtigen feuerroten Schnurrbart und einem blauen Overall watschelte von der
anderen Straßenseite auf sie zu und wedelte dabei mit einer Art Strohhut, wie
sie auf dem Land bei Mensch und Tier gleichermaßen beliebt ist.
    »Was’n los?« grölte die schlechte
Nachahmung eines Bauern, als sie mehr oder weniger in Hörweite war. »Hab’ hier
seit Jahren nich’ so viel Betrieb mehr gesehen, jedenfalls bestimmt nich’, seit
damals Spurge mit seinem Hemdzipfel in der Milchzentrifuge hängengeblieben is’.
Un’ was hat er jetz’ wieder gemacht?«
    »Wie kommen Sie denn ausgerechnet auf
Spurge?« fragte Shandy.
    Der Neuankömmling spuckte in den Staub
und stülpte sich den Hut, der prädestiniert dafür zu sein schien, einer Kuh als
Frühstück zu dienen, auf seinen roten Haarschopf. »Is’ doch meistens so. Spurge
is’ wirklich der blödste Hornochse, den ich hier je gesehen hab’. Kann ich
sowieso nich’ kapieren, wie Henny den seit Jahren aushält.«
    »Mr. Horsefall war eben echt total
fassungslos«, sagte Cronkite Swope.
    »Sie meinen wohl, er hat völlig die
Fassung verloren«, brauste Shandy auf. »Wenn Sie sich noch nicht richtig
ausdrücken können, sollten Sie es bald lernen, junger Mann. Man muß nicht alles
übernehmen, was man hört. Da Ihnen offenbar so viel daran liegt, in Ihrem Beruf
weiterzukommen, sollten Sie sich wohl möglichst schnell mit Ihrem Handwerkszeug
vertraut machen.«
    Cronkite nahm die Kritik gelassen hin.
»Ach, darum kümmert sich doch heute keiner mehr. Ist doch alles ganz
gewöhnliche Umgangssprache.«
    »Höchstwahrscheinlich kennen Sie den
Ausspruch von Mark Twain noch nicht, daß Gott den gewöhnlichen Menschen sehr
gehaßt haben muß, sonst hätte er ihn nicht so gewöhnlich gemacht. In
Wirklichkeit sind wir selbst es, die sich erniedrigen, indem wir es kampflos
zulassen, daß unsere Maßstäbe derart verwässert werden.«
    Der Fremde stieß einen Laut aus, den
man wohl am ehestens als höhnisches Zischen interpretieren konnte, und Shandy
wirbelte zu ihm herum. »Und was Sie betrifft, Mister, Ihr Narrenkostüm wäre
wohl überzeugender, wenn Sie nicht die neueste Ausgabe des Wallstreet
Journal aus der Tasche hängen hätten. Wäre es
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