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Über Stock und Runenstein

Über Stock und Runenstein

Titel: Über Stock und Runenstein
Autoren: Charlotte MacLeod
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ausnützen wollten. Die alte Klapperkiste, mit der
einst Jemima Arnes und später für kurze Zeit die berüchtigte Lorene McSpee die
Gegend unsicher gemacht hatten, war bei der letzten Inspektion aus dem Verkehr
gezogen worden und hatte sich inzwischen in ein handliches kleines Blechpaket
verwandelt. Das häßlichste Auto in Balaclava County gehörte jetzt ohne Zweifel
Präsident Svenson.
    »Ich finde es richtig süß, wie Roy und
Laurie sich so lieb um Tim kümmern«, meinte Helen und griff nach der nächsten
Petunie.
    »Ich finde eher, daß Tim sich verdammt
großzügig um sie kümmert«, brummte Peter und streute noch ein wenig
Spezialdünger. »Wo sind sie denn heute alle hin?«
    »Laurie wollte sich noch andere Tapeten
ansehen. Sie haben Tim irgendwo bei einem alten Farmer in Lumpkin Corners
abgesetzt und holen ihn dort auf dem Rückweg wieder ab. Ich möchte wissen, ob
er wohl auch seinen Erdbohrer mitgenommen hat. Erinnerst du dich noch,
Liebling, als wir im Mai die Kongreßabgeordneten im College zu Besuch hatten?
Tim marschierte mit dem Riesenbohrer in der Hand vorbei, der fast so groß war
wie er selbst, und ein Kongreßabgeordneter fragte ihn, wozu er das Ding
brauche.«
    »Und Tim antwortete bloß: Verstopfung.‹
Das nennt man eine historische Sternstunde, meine Liebe. Haben wir zufällig
kaltes Bier im Haus?«
    »Haben wir, aber du bekommst keinen
Tropfen, bevor wir nicht diese Einfassung bepflanzt haben. Du wirst bloß wieder
völlig berauscht und von Sinnen in die Hängematte sinken. Nimm einen Schluck
Wasser aus dem Schlauch, wenn du so durstig bist.«
    »Ich bin doch keine Petunie! Starke
Männer brauchen auch starke Getränke. Höre ich da nicht das Telefon?«
    »Wenn es das Telefon sein sollte, nehme
ich besser ab, denn dich kann man mit dem Kühlschrank kaum allein lassen.«
Helen klopfte sich das Torfmoos von den Knien ihrer Gartenhose und lief in das
hübsche kleine Backsteinhaus, in dem sie seit sechs turbulenten, glücklichen
Monaten die Schloßherrin war. Das Telefon klingelte tatsächlich, und die Stimme
am anderen Ende der Leitung war die von Tim. Sie hörte sofort, daß er sich in
einem schrecklichen Zustand befand.
    »Pete, komm schnell!«
    »Hier ist nicht Pete«, brüllte sie in
den Hörer. »Was ist denn passiert, Tim? Wo bist du?«
    Aber er brüllte nur zurück: »Hol Pete!«
Sie konnte ihn diese beiden Worte noch schreien hören, als sie längst den Hörer
hingelegt hatte und zur Eingangstür eilte.
    »Peter, komm schnell! Es ist Tim, und
er ist völlig außer sich.«
    »Weshalb denn?«
    »Das will er mir nicht sagen. Er
schreit immer nur nach dir.«
    Mit drei Sätzen war Shandy im Haus und
am Apparat. »Tim«, brüllte er in das Geschrei hinein, »was ist denn los?«
    Helen stand neben ihm und sah, wie das
Gesicht ihres Gatten langsam immer blasser wurde, als er Tim zuhörte. »Okay,
Tim«, rief er, »ich bin schon unterwegs.« Dann hängte er ein.
    »Was ist denn, Peter? Hatte Roy etwa
einen Unfall mit dem neuen Wagen?«
    »Nein, etwas völlig anderes ist
passiert. Tim ist draußen bei Henny Horsefall. Hennys Knecht hatte gerade einen
Unfall mit Löschkalk und ist tot.«
    »Löschkalk? Wie furchtbar! Und wie ist
es passiert?«
    »Genau das soll ich herausfinden.
Deshalb will Tim, daß ich zur Farm komme. Henny behauptet, es gäbe dort
überhaupt keinen Löschkalk, schon seit Gott weiß wie lange nicht. Er braucht
das verdammte Zeug überhaupt nicht auf dem Hof. Keiner weiß genau, wann Laurie
und Roy aufkreuzen werden. Henny ist über 80 und hat sonst niemanden außer
einer Tante, die nächste Woche 105 wird.«
    »Dann sollte ich vielleicht besser
mitkommen. Ich könnte mich um die alte Dame kümmern oder so.«
    »Ich denke, die Nachbarn werden sowieso
bald kommen. Du bleibst besser hier und pflanzt die restlichen Petunien. Wir
sind damit sowieso schon etwas spät dran. Ich ruf dich sofort an und sag’ dir
Bescheid, wenn ich weiß, was los ist.«
    Er gab ihr einen flüchtigen Kuß und
rannte den Hügel hinunter zur Tankstelle von Charlie Ross, wo sein Wagen
parkte, denn sie selbst hatten keine Garage, und auf dem Crescent zu parken war
nicht üblich.
    Helen sah ihm nach, ihr helles Gesicht
hatte einen zärtlichen Ausdruck, und ihre glockenblumenblauen Augen waren ein
wenig feucht. Peter war kein besonders großer Mann, und um die Taille hätte er
ganz gut ein oder zwei Pfund abnehmen können, aber im Notfall war er ebenso
agil wie Paavo Nurmi. Wie klug von ihr, ihn geheiratet zu
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