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Über Stock und Runenstein

Über Stock und Runenstein

Titel: Über Stock und Runenstein
Autoren: Charlotte MacLeod
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‘n
Schlauch rausholen und ‘n Kreiselstreuer saubermachen. Letzten Montag ham wir
die Felder gekalkt, und grad als wir fast fertig waren, fing’s an zu regnen. Du
weißt ja, wie Kalk am Streuer verklumpt, wenn man ‘n nich’ sofort saubermacht.
Und Spurge sollte ‘n saubermachen, als wir wieder in der Scheune waren, aber er
hat ‘n die ganze Zeit liegen lassen, total verstopft, bis ich’s ihm gestern
nachmittag gesagt hab’. Spurge is ‘n guter Arbeiter, man muß ihm bloß alle
naselang auf die Finger gucken, denn er hat ‘n Gedächtnis wie ‘n Sieb, aber
herrjeh, Tim, das kann einfach nich’ sein. Wir haben doch für die Felder immer
bloß normalen, harmlosen Kalkstein genommen, genau das gleiche Zeug wie sonst
auch. Selbst wenn er ‘n Schlauch draufgehalten hätte und was ins Gesicht
gekriegt hätte — und das muß er ja — , es hätt’ ihm todsicher nichts
geschadet.«
    »Offenbar hat es ihm aber verdammt viel
geschadet«, sagte Ames. »Glaubst du, daß er dumm genug war, sich direkt über den
Kreiselstreuer zu beugen, ohne vorher den Schlauch abzustellen, als er sah, daß
der Kalk zu brodeln und zu rauchen anfing?«
    »Spurge war sogar dafür dämlich genug.
Er war ‘n richtig komischer Kauz. Mußte seine Nase immer in alles reinstecken.
Tja, genau das hat er wohl gemacht. Lustig immer weiter gespritzt, weil die
Blasen so schön waren, und hat dann die ganze Ladung mitten ins — «
    Henny brachte das Wort »Gesicht« nicht
mehr über die Lippen, denn von Gesicht konnte bei Spurge keine Rede mehr sein.
    »Löschkalk?« Trotz seiner Übelkeit
konnte Cronkite nicht darauf verzichten, eine Frage zu stellen. »War das nicht
das Zeug, in das man früher Verbrecher hineinwarf, nachdem man sie aufgehängt
hatte?«
    Sofort bedauerte er, daß er nicht den
Mund gehalten hatte. Spurge mußte das Gefühl gehabt haben, als hätte er sein
Gesicht mitten in einen angestellten Schweißbrenner gehalten. Cronkite
versuchte nochmals vergeblich, seinen bereits leeren Magen zu erleichtern.
    »Ganz recht«, antwortete Professor
Arnes. »Sehr hygienische Methode. Selbst für die Ratten blieb nichts mehr
übrig. Löschkalk eignet sich außerdem für vieles gut, weil er, sofort nachdem
er naß wird, eine enorme Flitze entwickelt. Als die Telegrafie noch in den
Kinderschuhen steckte, hat man zum Beispiel damit die Masten in die gefrorene
Erde gesetzt. Man hat einfach an der Stelle, wo der Mast aufgestellt werden
sollte, ein Faß mit dem Zeug aufgeschlagen und ein paar Eimer Wasser darüber
geschüttet. Wenn man am nächsten Morgen wiederkam, war der Boden an der betreffenden
Stelle ringförmig getaut, tief genug, um den Leitungsmast aufzustellen.
Natürlich mußten die Männer verdammt genau aufpassen, wo sie das Wasser
hinschütteten. Ich selbst hatte einen Onkel, der drüben in Aaroostock County
als Telegrafenarbeiter gearbeitet hat. Ein richtiges Piratengesicht hatte der,
voller Narben, alles vom Löschkalk, und trug über dem einen Auge immer eine
Augenklappe. Damals gab’s noch keine Entschädigungen für Arbeitsunfälle. Tut’s
dein Telefon, Henny?«
    »Will ich verdammt nochmal annehmen.
Hab’ schließlich die Rechnung bezahlt. Glaub’ ich jedenfalls.«
    »Dann gehen wir am besten ins Haus und
machen ein paar Anrufe.«
    »Dem armen Schwein kann sowieso keiner
mehr helfen.«
    »Weiß ich selbst, aber wir können ihn
doch nicht einfach so liegen lassen. Am besten rührt ihn keiner an, bis die
Polizei hier war und sich alles angesehen hat. Ich verstehe wirklich nicht, wie
das — Herr im Himmel, da kommt deine Tante Hilda.«
    »Schnapp sie dir, junger Mann, und
bring sie von hier weg«, sagte Henny zu Cronkite. »Der Frauenverein hat ‘ne
Riesensache zu ihrem Geburtstag vor. Die machen todsicher ‘n Heidengeschrei,
wenn wir sie jetzt vor Schreck sterben lassen un’ die schöne Party ins Wasser
fällt. Schaff sie man flott zurück ins Haus, un’ ruf die Polizei an. Am besten
versuch auch, Doc Fensterwald zu kriegen, dann kann uns wenigstens keiner
vorwerfen, wir hätten nich’ alles versucht.«
    Froh darüber, sich endlich aus dem
Staub machen zu können, gehorchte Cronkite. Die beiden alten Männer deckten
Spurge so gut es ging mit einer Plane zu und folgten Cronkite. Als sie
schließlich das Haus erreichten, hatte Miss Hilda bereits die Schnapsflasche
herausgeholt und Kaffee gekocht.
    Wegen seiner Schwerhörigkeit benutzte
Timothy Arnes das Telefon ungern, doch nachdem man den Arzt und die
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