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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel
Autoren: Jandy Nelson
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fest, aber die Aufregung scheint den Sieg davonzutragen. Er kann kaum an sich halten. »Als ich das erste Mal bei dir zu Hause war, hab ich einen Zettel unter einem Stein in Gramas Garten stecken sehen, dann noch das Gekritzel auf deiner Schuhsohle und an dem Tag, an dem wir die ganzen Sachen rausgestellt haben, Mann … deine Worte waren überall, wo ich hingeguckt hab. Ich bin ein bisschen verrückt geworden, musste feststellen, dass ich immer und überall danach gesucht habe …« Er schüttelt den Kopf. »Hab sogar weitergemacht, als ich so sauer auf dich war. Aber das Seltsamste ist, dass ich schon was gefunden hatte, bevor du mir überhaupt begegnet bist. Das waren nur ein paar Worte auf einem Bonbonpapier auf dem Pfad zum
Fluss. Ich hatte keine Ahnung, wer das geschrieben hatte, na ja, bis dann …«
    Er starrt mich an und klopft sich mit der Klarinette aufs Bein. Nun wirkt er wieder nervös. »Okay, sag was. Du darfst dir nicht komisch vorkommen. Die haben nur dazu beigetragen, dass ich mich noch mehr in dich verliebt habe.« Und dann lächelt er und an allen Orten auf dem Erdball, an denen Nacht herrscht, bricht der Tag an. »Sagst du denn nicht mal quel Trottel? «
    Ich würde eine ganze Menge sagen, wenn ich an dem Lächeln vorbeikäme, das mein Gesicht mit Beschlag belegt hat. Da ist es wieder, dieses Ich bin verliebt in dich , das alles auslöscht, was ihm sonst noch über die Lippen kommt.
    Er zeigt auf die Schachtel. »Die haben mir geholfen. Ich bin irgendwie ein unnachgiebiger Sturkopf, falls du das noch nicht bemerkt haben solltest. Ich hab sie gelesen – immer wieder, seitdem du mit den Rosen gekommen bist – und hab versucht zu verstehen, was passiert ist, warum du mit ihm zusammen warst, und ich glaube, dass ich es jetzt vielleicht verstehen kann. Weiß auch nicht, als ich die Gedichte zusammen gelesen hab, konnte ich mir allmählich wirklich vorstellen, was du durchmachst, wie schrecklich es sein muss …« Er schluckt, guckt zu Boden und scharrt mit dem Fuß in den Tannennadeln. »Auch für ihn. Ich glaub, ich versteh jetzt, wie das passiert ist.«
    Wie kann es sein, dass ich monatelang an Joe geschrieben habe, ohne es zu wissen? Als er aufschaut, lächelt er. »Und dann gestern …« Er wirft seine Klarinette aufs Bett. »Hab
ich erfahren, dass du mir gehörst.« Er zeigt auf mich. »Dein Arsch gehört mir.«
    Ich lächele. »Willst du mich verarschen?«
    »Ja, macht aber nichts, weil mein Arsch nämlich dir gehört.«
    Er schüttelt den Kopf und die Haare fallen ihm ins Gesicht, dass ich sterben könnte. »Mit Haut und Haar.«
    Eine Schar hysterisch glücklicher Vögel sprengt aus meiner Brust in die Welt hinaus. Ich bin froh, dass er die Gedichte gelesen hat. Ich wollte, dass er meine Schwester kennt, und jetzt tut er das irgendwie. Jetzt kennt er das Vorher so gut wie das Nachher.
    Er setzt sich auf die Bettkante, nimmt einen Stock und malt damit auf dem Boden, dann wirft er ihn weg und guckt in die Bäume. »Tut mir leid«, sagt er.
    »Braucht es nicht. Ich bin froh -«
    Er dreht sich zu mir um. »Nicht wegen der Gedichte. Mir tut leid, was ich an diesem Tag gesagt hab, über Bailey. Nachdem ich all die Gedichte gelesen hatte, wusste ich, wie sehr dir das wehtun würde -«
    Ich lege ihm den Finger auf die Lippen. »Schon gut.«
    Er nimmt meine Hand, führt sie an seinen Mund und küsst sie. Ich schließe die Augen, Schauer durchrieseln mich – es ist so lange her, seit wir uns berührt haben. Er legt meine Hand wieder hin. Ich mache die Augen auf. Er sieht mich fragend an. Er lächelt, aber die Verletzlichkeit und der Schmerz, die immer noch in seinem Gesicht abzulesen sind, schneiden mir ins Herz. »Du tust mir das doch nicht noch mal an?«, fragt er.

    »Nie«, platzt es aus mir heraus. »Ich will ewig mit dir zusammen sein!« Okay, diese Lektion hab ich jetzt gründlich gelernt: Man kann den viktorianischen Roman mit einer Gartenschere in Fetzen schneiden, aber man kann den viktorianischen Roman nicht aus einem Mädchen rausschneiden.
    Er strahlt mich an: »Du bist verrückter als ich.«
    Eine ganze Weile starren wir einander an und in dieser Zeit scheinen wir uns leidenschaftlicher zu küssen als je zuvor, obwohl wir uns nicht berühren.
    Ich streiche mit den Fingern über seinen Arm. »Kann nichts dafür. Bin verliebt.«
    »Ist das erste Mal«, sagt er. »Für mich.«
    »Ich dachte in Frankreich -«
    Er schüttelt den Kopf. »Nee, nee, kein Vergleich.« Er berührt meine Wange so
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