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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel
Autoren: Jandy Nelson
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war ich mir wie eine Hochstaplerin vorgekommen, wenn Marguerite das Gespräch in diese Richtung gelenkt hatte … wie eine Verräterin, die einen Plan ausheckt, um meiner Schwester ihren Traum zu stehlen, als er ihr bereits entrissen worden war. Warum ist mir nie in den Sinn gekommen, dass ich an ihrer Seite träumen könnte? Warum war ich nicht mutig genug, überhaupt einen Traum zu haben?
    »Ich ginge für mein Leben gern auf die Juilliard«, gestehe ich Sarah. So. Endlich. »Aber ich bin mit jeder guten Musikhochschule zufrieden.« Ich will nur Musik studieren: wie das Leben selbst klingt.
    »Wir könnten zusammen gehen«, sagt Sarah, die sich jede Scheibe Mozzarella in den Mund stopft, die ich abschneide. Ich gebe ihr einen Klaps auf die Finger. Sie fährt fort: »Wir könnten uns zusammen eine Wohnung in New York City mieten.« Diese Vorstellung katapultiert Sarah hoch zu den Sternen, scheint mir – mich auch, obwohl mich der eine erbärmliche Gedanke verfolgt: und Joe? »Oder Berklee in Boston«, sagt sie, ihre großen blauen Augen boinken ihr aus dem Kopf. »Vergiss Berklee nicht. Aber egal, wo, wir könnten in Ennui hinfahren, kreuz und quer durchs Land. Am
Grand Canyon rumhängen, vielleicht nach New Orleans fahren -«
    »Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaargh«, stöhne ich.
    »Nicht schon wieder dieses Gedicht. Was kann denn noch bessere Ablenkung sein als die wunderbaren Göttinnen Juilliard und Berklee. Meine Güte. Verdammtunglaublich …«
    »Du hast ja keine Ahnung, wie dildonisch es war.«
    » Schönes Wort, Len.« Sie blättert eine Zeitschrift durch, die jemand auf dem Tresen liegen gelassen hat.
    » Lahm ist als Wort nicht lahm genug für dieses Gedicht«, murmele ich. »Sarah, ich hab einem Jungen gesagt, dass ich ihm gehöre .«
    »Das passiert, wenn man achtzehn Mal Sturmhöhe liest.«
    »Dreiundzwanzig.«
    Ich schichte vor mich hin: Soße, Nudeln, Ich gehöre dir , Käse, Soße, mein Herz ist dein , Nudeln, Käse, Ich höre deine Seele in deiner Musik , Käse, Käse, KÄSE …
    Sie lächelt mich an. »Weißt du, vielleicht ist das ja okay, irgendwie scheint er doch genauso zu sein.«
    »Wie denn?«
    »Du weißt schon, wie du.«

    (Gefunden auf einem Fetzen Notizblockpapier auf dem Parkplatz der Clover High)

37. Kapitel
    ES IST LÄCHERLICH, den ganzen Weg zurück zum Waldschlafzimmer zu laufen, sage ich mir, auf gar keinen Fall wird er da sein, kein Gedicht, in dem New Age und Viktorianer aufeinandertreffen, wird ihn dazu bringen, mir zu vertrauen. Bestimmt hasst er mich immer noch – und jetzt hält er mich obendrein noch für dildonisch.
    Aber hier bin ich nun und natürlich ist er nicht hier. Ich lasse mich rücklings aufs Bett fallen, schaue hoch zu den Fetzen blauen Himmels zwischen den Bäumen und halte mich an das reguläre Programm, indem ich noch etwas mehr an Joe denke. Da ist so viel, was ich nicht über ihn weiß. Ich weiß nicht, ob er an Gott glaubt oder Makkaroni mit Käse mag, welches Sternzeichen er ist oder ob er auf Englisch oder Französisch träumt oder was es für ein Gefühl wäre, wenn – uh-oh. Ich hab das Kinderprogramm hinter mir gelassen und bin bei den Filmen ab achtzehn gelandet, weil, o Gott, ich wünschte wirklich, Joe würde mich nicht so hassen, denn ich will alles mit ihm machen. Meine Jungfräulichkeit stinkt mir so. Mir scheint, die ganze Welt
weiß Bescheid über dieses ekstatische Geheimnis, nur ich nicht -
    Da höre ich etwas: ein seltsam klagendes, eindeutig nicht waldartiges Geräusch. Ich hebe den Kopf und stütze mich auf den Ellenbogen ab, damit ich besser lauschen kann, und versuche das Geräusch vom Blätterrascheln, dem fernen Tosen des Flusses und Vogelzwitschern zu isolieren. Das Geräusch rieselt durch die Bäume, wird immer lauter, kommt immer näher. Ich lausche … und dann weiß ich, was es ist, die Töne schlängeln sich jetzt klar und perfekt zu mir herüber – es ist die Melodie von Joes Duett. Ich schließe die Augen und hoffe, dass ich auch tatsächlich Klarinettenklänge höre und nicht Opfer irgendeiner Hörhalluzination meines liebeskranken Hirns geworden bin. Nein, bin ich nicht, denn jetzt höre ich jemanden durchs Unterholz schlurfen und wenig später bricht die Musik ab und dann sind keine Schritte mehr zu hören.
    Ich hab Angst, die Augen aufzumachen, aber ich tu es, und er steht vor dem Bett und betrachtet mich. Eine Armee von Ninja-Putten, die alle im Blätterdach gelauert haben müssen, spannen ihre Bögen und lassen die Pfeile
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