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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben
Autoren: Jan Guillou
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verstehen, sie solle das Blaulicht aufs Wagendach praktizieren. Er hatte während seines langen unbezahlten Urlaubs noch nicht gelernt, all die neuen Dinge zu beherrschen, die inzwischen entwickelt worden waren. Anschließend bat er sie, per Funk mit der Einsatzzentrale in Malmö und den Diensthabenden zu Hause in Ystad Kontakt aufzunehmen, um herauszufinden, was inzwischen angelaufen war.
    Aus Malmö erfuhren sie, daß Einsatzwagen von Malmö und Lund unterwegs seien und daß in der angegebenen Fluchtrichtung bald einige Straßensperren fertig sein würden.
    Von Fluchtrichtung konnte allerdings kaum die Rede sein, wie sich herausstellte, als Ann-Britt Höglund die Karte des Polizeibezirks von Ystad studierte, die nach neuester Dienstanweisung in jedem Einsatzwagen mitgeführt werden sollte. Der Maßstab war jedoch so groß, daß man nur ein flatterndes Blatt Papier in der Hand hatte, wenn man beim Fahren die Karte zu lesen versuchte. »In Richtung Snogeholm« konnte alles mögliche bedeuten und sagte im Grunde nur aus, daß der Wagen mit den beiden Tätern sich auf dem einzig möglichen Weg vom Tatort entfernt hatte, vermutlich auf dem gleichen Weg, auf dem die Männer auch gekommen waren.
    Von der Wache in Ystad erfuhren sie nichts, was mit der angelaufenen Jagd zu tun hatte. Wahrscheinlich wollten die großen Jungs in Malmö alle wichtigen Dinge selbst in der Hand behalten. Seit sie Ystad verlassen hatten, hatte nur jemand per Handy angerufen und einen scheußlichen Autounfall kurz vor Snogeholm gemeldet; ein PKW sei bei hoher Geschwindigkeit mit einem Traktor zusammengestoßen, der offenbar von einer Stichstraße auf die Hauptstraße gefahren sei. Der Traktor sei umgekippt, und es sei unklar, wie es um die Beteiligten stehe, da der Anrufer nicht gewagt habe, sich an Ort und Stelle davon zu überzeugen. Die Wache in Ystad habe in Sjöbo zusätzliche Krankenwagen alarmiert, die jetzt unterwegs seien.
    »Wie weit vom Tatort entfernt ist es zu diesem Autounfall gekommen?« fragte Wallander, als seine Kollegin die laute und durch Knacken gestörte Unterhaltung per Funk beendet hatte.
    »Ein paar Kilometer oder so«, erwiderte sie nach einer langen raschelnden Konsultation der Karte.
    Ann-Britt Höglund sah ihm an, was er dachte und welche Entscheidung er jetzt traf. Sie bewunderte Wallander, gerade weil er mit so etwas wie Instinkt gegen jede beliebige polizeiliche Dienstanweisung verstieß, nämlich in dem Moment, in dem er davon ausging, daß das die Sache wirklich voranbringen würde. Das war eine bemerkenswerte Eigenschaft, fast so etwas wie ein sechster Sinn und vermutlich etwas, was man nicht ohne weiteres lernen konnte, wie sehr man sich auch darum bemühte, mit ihm zusammenzuarbeiten.
    Obwohl es tatsächlich darauf ankam, recht zu haben, wenn man so handelte wie Wallander. Als sie zum letzten Mal gemeinsam an einer großen Sache gearbeitet hatten, hatte er bei kleinlicher Betrachtungsweise in der Schlußphase eines Fahndungsauftrags drei oder vier Verbrechen hintereinander begangen: Einbruch, Nötigung und noch ein paar Kleinigkeiten. Hätte er am Ende nicht recht gehabt, wäre er in den Knast gegangen und gefeuert worden, doch da er recht hatte und die Täter kurz nach der Wallanderschen Deliktserie hatten gefaßt werden können, hatte sich niemand beklagt.
    Sie dachte, daß ein Mensch, der sich so verhielt, entweder ein unendliches Selbstvertrauen oder eine fast gleichgültige Einstellung zu sich selbst haben mußte. Und was Wallander anging, war unendliches Selbstvertrauen leicht auszuschließen.
    Doch jetzt raste er also zu einem trivialen Autounfall statt zu einem Tatort, an dem sich zwei Mordopfer sowie eine unbekannte Zahl von Menschen befanden, die in sowohl praktischer als auch psychologischer Hinsicht der Polizei bedurften. Dennoch empfand sie eine schwer zu erklärende Zuversicht.
    Als sie auf der kurvenreichen und schmalen Asphaltstraße ganz in der Nähe des Schlosses Snogeholm am Unglücksort anhielten, hatte sich dort schon eine kleine Gruppe ratloser Gaffer eingefunden. Ann-Britt Höglund hatte das Blinken der gelben Warnleuchten der Autos schon von weitem gesehen.
    Als Wallander seinen Wagen so parkte, daß er den eigentlichen Unfallschauplatz von der Gruppe der Gaffer trennte, spürte er, daß er richtig gehandelt hatte. Er nickte seiner jungen Kollegin kurz zu, zog die Handschuhe an und nahm eine Taschenlampe aus dem Handschuhfach. Dann stiegen beide aus. Sie ging auf die Gruppe der
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