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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben
Autoren: Jan Guillou
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da er so leicht dabei hängenblieb und den ganzen Abend vor dem Bildschirm auf dem Sofa hockte, wenn er erst einmal angefangen hatte. Aus ungefähr den gleichen Gründen versuchte er auch, hochprozentige Getränke zu meiden.
    Als er sich nach dem letzen Kopenhagener auf dem Tisch vor sich streckte, spannte es ein wenig in der Taille. Er lächelte zufrieden, weil er es gut fand, allmählich sein normales Gewicht zurückzugewinnen, als normalisierte auch das seinen Gemütszustand. Er war jetzt dabei zu genesen, redete sich aber oft ein, daß es noch längst nicht vorbei war.
    Als er den Kopenhagener gerade zögernd zum Mund führte, läutete das Telefon neben ihm. Mit einer dankbaren Grimasse warf er das süßliche Gebäck von sich, wischte sich die Finger und nahm den Hörer ab.
    Die Mitteilung, die man ihm jetzt machte, war knapp und klar. Doch der Inhalt war so geartet, daß kein normal gebauter Mensch so etwas mitteilen und dennoch so klar und beherrscht sprechen konnte, als ginge es nur darum, einen kleineren Verkehrsunfall zu melden. Wallander fühlte sich genötigt nachzufragen.
    »Können Sie so nett sein, das zu wiederholen«, sagte er langsam.
    »Wie ich gerade sagte«, teilte ihm die Stimme am anderen Ende mit einem kleinen Anflug von Irritation mit, »hier spricht Graf Claes Peiper auf Vrångaholm. Zwei meiner Essensgäste sind vor einer Minute erschossen worden. Die Schützen waren maskiert. Es waren zwei Täter, die englisch sprachen und mit Schrotgewehren des Typs Pump Action geschossen haben.«
    »Haben die Täter den Tatort verlassen?« fragte Kurt Wallander.
    »Natürlich«, entgegnete der andere gemessen. »Wir hörten einen Wagen, der in Richtung Snogeholm verschwand.«
    »Sind alle anderen noch am Tatort?«
    »Ja, natürlich.«
    »Gut. Wir sind in zwanzig Minuten da. Ich schicke Krankenwagen. Bitte versuchen Sie, am Tatort nicht die Spuren zu verwischen«, erwiderte Kurt Wallander schneidiger, als er vorgehabt hatte. Da war etwas in der Stimme dieses Grafen, was ihm nicht gefiel. Er hätte einem normalen, anständigen, verzweifelten und verwirrten Staatsbürger den Vorzug gegeben.
    Er legte auf, riß sofort den Hörer wieder hoch und alarmierte den Bereitschaftsdienst im Krankenhaus von Ystad. Danach ging er auf sein Zimmer und nahm die Liste der diensthabenden Beamten an sich, die er bei seinem Eintreffen nicht gelesen hatte. Er war davon ausgegangen, daß an einem solchen Abend nichts passieren würde, was die Kriminalpolizei betraf. Während er in der Liste blätterte, rief er die Einsatzzentrale der Malmö-Polizei an, da sie die einzigen im südwestlichen Schonen waren, die einen größeren Einsatz mit Straßensperren organisieren konnten.
    Dann sah er zu seiner Zufriedenheit, daß Ann-Britt Höglund für dieses Wochenende als erste auf der Liste stand.
    »Hej, Ann-Britt, hier Kurt. Bist du nüchtern?« sagte er in fast munterem Tonfall, nachdem sie abgenommen hatte. Sie erlaubte sich sofort zu bezweifeln, daß er es war, doch er tat diese Diskussion schnell ab und sagte, er werde sie in drei Minuten abholen, und dann würde sie erfahren, worum es gehe. Dann legte er auf, ohne eventuelle Proteste abzuwarten.
    Als er vorfuhr, stand sie auf dem Kiesweg vor dem Haus. Sie trug Sportschuhe, dunkelblaue lange Hosen und eine dicke hellblaue wattierte Jacke und sah insoweit schon nach Polizistin aus. Und sie war ohne Zweifel nüchtern, vielleicht auch sauer, ob das nun an ihm lag oder dem Wahlergebnis. Sie setzte sich in den Wagen und grüßte nur mit einem kurzen Kopfnicken.
    »Nun?« sagte sie auffordernd, als er ein paar Straßenblocks gefahren war. »Der Teufel soll dich holen, wenn es nichts Wichtiges ist.«
    »Das ist es natürlich«, erwiderte er betont ruhig. »Auf Vrångaholm hat es einen Doppelmord gegeben. Zwei unbekannte maskierte Täter, die englisch sprachen, sind ins Schloß eingedrungen und haben zwei Essensgäste mit Schrotgewehren erschossen.«
    »Essensgäste?« fragte sie und warf ihm einen forschenden Blick zu. »Wieso Essensgäste?«
    »Na ja, der Mann, der mich anrief, der Gastgeber, hat sich so ausgedrückt«, knurrte Wallander mißbilligend. »Er hat also nicht gesagt, zwei Männer oder zwei Frauen seien erschossen worden, sondern nur zwei Essensgäste. Und jetzt sollen wir beiden Hübschen nämlich einen Besuch in der feinen Welt machen, in der man Essensgast ist, wenn man mit einer Schrotflinte erschossen wird.«
    Er trat aufs Gaspedal und gab ihr mit einem Kopfnicken zu
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