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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben
Autoren: Jan Guillou
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Tod bis zu einem schnellen und wütenden Aufwachen. Wallander sorgte dafür, daß der Überlebende in den ersten Krankenwagen gebracht wurde, zog Handschellen aus dem Handschuhfach des Streifenwagens und kettete den immer noch bewußtlosen Mann an dessen Trage fest. Dann wies er die Krankenwagenbesatzung an, zum Krankenhaus von Ystad zu fahren. Dort würden Kollegen Wallanders sie in Empfang nehmen, die er über Funk vorwarnen werde, damit sie nötigenfalls die Handschellen aufschließen könnten.
    Als der erste Krankenwagen mit dem noch lebenden, aber festgeketteten Verdächtigen nach Ystad losfuhr, begannen die Männer des zweiten Krankenwagens gemächlich und scherzend damit, die Überreste des Mannes einzusammeln, der aufgrund seiner ablehnenden Einstellung gegenüber Sicherheitsgurten gestorben war. Wallander rief seinen Polizeidirektor an, schilderte kurz die Lage und beendete dann das Gespräch. Dann gab er Ann-Britt Höglund durch ein Kopfnicken zu verstehen, daß es Zeit sei aufzubrechen.
    »Warum hast du das getan?« fragte sie vorsichtig, nachdem Wallander den Motor angelassen und mit kreischendem Getriebe den zweiten Gang eingelegt hatte.
    »Was denn?« fragte er mit gespielter Unschuld.
    »Na ja? Björk einfach so anzurufen und ihn dann aus der Leitung zu werfen?«
    »Weil du und ich jetzt in Wahrheit in zwei Fällen zu ermitteln haben, und da fand ich schon, daß wir selbst entscheiden sollten, mit welchem Delikt wir anfangen.«
    »Zwei Delikte?«
    »Ja. Wir haben hier den Fall des unbemannten Traktors vorliegen, der ohne Licht auf eine größere Straße hinausfährt, auf der sich unsere nichts Böses ahnenden südländischen Täter auf der Flucht befinden, oder wie man das nennen soll. Zu ihrem Pech waren ihnen einige der besonderen Verkehrsgefahren des ländlichen Schonen unbekannt.«
    »Wie etwa unbemannte Traktoren, die plötzlich ohne Licht auftauchen?«
    »Genau. Der Fahrer dürfte jetzt wohl zu Hause sein, um seiner Frau als künftiger Zeugin einzuschärfen, daß er erst jetzt damit begonnen hat, Schnaps zu trinken – natürlich im Schockzustand. Doch als er fuhr, war er selbstverständlich nüchtern.«
    »Das sind aber mehrere Delikte – Trunkenheit am Steuer, fahrlässige Tötung, grob verkehrswidriges Verhalten und Unfallflucht«, sagte sie in einem Tonfall, der Wallander eine Spur zu hochnäsig vorkam.
    »Langsam, langsam«, sagte er, »wir sollten nicht so kleinlich sein. Unser zweites Verbrechen ist nämlich Mord, und da ist die Aufklärung vielleicht wichtiger als dieser Fall von Unfallflucht. Im Grunde genommen müßten wir dem Mann dankbar sein.«
    Als sie auf dem knisternden Kies des Schloßhofs vorfuhren, war das ganze Haus erleuchtet, und die gesamte Hofbeleuchtung brannte. Vor dem Haupteingang stand ein Volvo, dessen Antennen darauf hindeuteten, daß es ein ziviler Polizeiwagen war. Von anderen Polizisten war nichts zu sehen.
    Wallander empfand vages Unbehagen, als er vor der drei Meter hohen Tür stand und läutete. Es wurde nicht besser, als ein junger Mann im Smoking aufmachte und Wallander auf die Idee kam, daß es eine Art Bediensteter war. Er zeigte seinen Dienstausweis, murmelte etwas davon, daß er die Leute sprechen wolle, die hier wohnten, und machte Anstalten, ins Haus zu stiefeln.
    Der junge Mann erstarrte, als hätte er eine Ohrfeige erhalten, fing sich jedoch schnell wieder und streckte Wallander eine Hand entgegen.
    »Willkommen, Herr Kommissar, ich heiße Claes Peiper«, sagte er.
    Wallander fühlte sich wie ein Idiot.
    »Aber du hast doch nicht angerufen?« fragte er mißtrauisch.
    »Nein, Herr Kommissar, das war mein Vater. Er heißt auch Claes. Wenn Sie mir folgen wollen… ach nein, das ist nicht nötig, ziehen Sie sich nicht die Schuhe aus.«
    Der junge Mann ging eine breite steinerne Hallentreppe hinauf. Wallander und Ann-Britt Höglund warfen einander einen fragenden Blick zu und folgten ihm; keiner von ihnen hatte Anstalten gemacht, die Schuhe auszuziehen.
    Sie wurden durch ein paar große Räume in einen Salon geführt, in dem ein totales Chaos herrschte, weil annähernd zwanzig Personen durcheinanderredeten. Wallander und Ann-Britt Höglund blieben zögernd in der Türöffnung stehen. Die meisten Männer im Raum trugen einen Smoking, und sämtliche Frauen waren festlich gekleidet. Es hätte eine strahlende Gesellschaft sein sollen. Der junge Mann trat zu einem der Smoking tragenden Männer, flüsterte etwas und nickte mit dem Kopf zu Wallander und
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