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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland
Autoren: Germaine de Staël
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das Mitleid, die Sympathie, das Glück, nothwendig zu seyn, erhöhen. Unter allen Umständen beseelt und tröstet der Enthusiasmus; und selbst dann, wenn der grausamste Streich uns trifft, wenn wir den verlieren, der uns das Leben gegeben hat. Den, welchen wir als unseren Schutzengel liebten und der uns zugleich Achtung ohne Furcht und ein gränzenloses Vertrauen einflößte — selbst dann kommt uns der Enthusiasmus zu Hülfe; er sammelt in unserer Brust einige Funken der Seele, die zum Himmel entflohen ist; wir leben in ihrer Gegenwart und nehmen uns vor, einst die Geschichte seines Lebens zu schreiben. Niemals, glauben wir, niemals werde uns seine väterliche Hand ganz in dieser Welt verlassen, und sein gerührtes Bild sich gegen uns neigen, um uns zu stützen, ehe es uns zurückruft.
    Endlich, wenn der große Kampf sich einstellt, wenn nun auch wir mit dem Tode ringen müssen: dann schmerzt ohne Zweifel die Kraftlosigkeit unserer Fähigkeiten, der Verlust unserer Hoffnungen, dies sich verfinsternde, bisher so stark gefühlte Leben, diese Menge von Gefühlen und Ideen, die in unserem Busen wohnten, und welche nun das dunkle Grab umschließen soll, diese Angelegenheiten, diese Zuneigungen, diese Existenz, die sich vor ihrem Verschwinden in ein Fantom verändert — alles das, sag' ich, schmerzt, und der gemeine Sterbliche scheint beim letzten Athemzuge weniger zu sterben. Aber Gott sey gelobt für die Hülfe, die er uns auch in diesem Augenblick angedeihen läßt! Unsere Worte werden ungewiß seyn, unsere Augen nicht mehr das Licht schauen, unsere Gedanken, sonst in Klarheit verbunden, vereinzelt auf verworrenen Spuren umherirren: aber der Enthusiasmus wird uns nicht verlassen; seine glänzenden Fittiche werden über unserem Sterbebette schweben, er selbst wird uns des Todes Schleier lüpfen, und uns die Augenblicke zurückrufen, wo wir, voll Lebenskraft, gefühlt haben, daß unser Herz unvergänglich sey, und unsere letzten Seufzer werden vielleicht wie ein edler Gedanke seyn, der zum Himmel aufsteigt.
    [Diese letzte Phrase hat die Polizei am meisten gegen mein Buch aufgebracht; und doch meine ich, sie hätte den Franzosen nicht mißfallen sollen:]
    “O Frankreich! Land des Ruhmes! Land der Liebe! Wenn je der Enthusiasmus auf deinem Boden erlöschen, die Berechnung über Alles verfügen und bloßes Raisonnement zur Verachtung der Gefahren antreiben sollte — wozu würden dann dein schöner Himmel, deine glänzenden Geister, deine so fruchtbare Natur dienen? Ein thätiger Verstand, ein geregelter Ungestüm würden dich zum Herrn der Welt machen; aber du würdest nur die Spuren von Sandwirbeln zurücklassen, fürchterlich wie Fluthen, dürr und unfruchtbar wie die Wüste!“
    Ende des dritten und letzten Bandes.
     
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