Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1
Autoren: Sigrid Lenz
Vom Netzwerk:
Als mein Vater auch starb, kehrte sie mit mir und meinen jüngeren Geschwistern zurück." Eduard zuckte mit den Schultern, das schien eine Gewohnheit zu sein, dachte Vincent abgelenkt. "Insofern war ich ein Stück länger als meine Brüder auf einer europäischen Schule. Was mir diesen Job hier verschafft hat."
    Vincent hörte gebannt zu. "Aber wo wohnst du? Wohnen Sie?" Jetzt hatte Eduard ihn bereits mit seiner Vertrauensseligkeit angesteckt. Erheblich schneller als er es gewohnt war, taute er auf. Lag womöglich an den Temperaturen. Obwohl die Klimaanlage ununterbrochen für angenehme Kühle sorgte.
    Eduard lächelte. "Nah genug, um sicher zu sein, dass die Hochwasserzone noch ein Stück entfernt ist. Weit weg genug, um ziemlich sicher sein zu können, dass kein Tourist sich dorthin verirrt."
    "Mit Ihren Brüdern?"
    "Deren Frauen und Kindern", nickte Eduard und Vincent biss sich auf die Zunge, um nicht zu fragen, wie es mit Eduards Familienstand aussah."
    Er kratzte sich an der Nase. "Ich würde es gerne sehen", rutschte es ihm heraus, bevor er seinen Verstand ausreichend aktivierte, um sich selbst Einhalt zu gebieten. Womöglich befand sich mehr Alkohol in dem Drink, als er vermutet hatte. Und wenn ja, was sagte das über Eduards Kunst aus?
     
    "Was? Wo ich wohne?" Eduard hob die Augenbrauen. "Wirklich?"
    "Ähm." Vincent hustete. "Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Es ist nur, wenn man sich ein Bild von der Baukultur machen möchte und ..."
    Eduard unterbrach mit einem Lachen. "Nein, nein, das wäre fantastisch." Er räusperte sich, vermittelte erneut Nervosität. "Ich meine - ganz unverbindlich. Vielleicht fällt dir etwas ein, wenn du einen Blick riskierst."
    Wurde er rot? Vincents Herz schlug schneller. Und das kam überhaupt nicht und nie bei ihm vor, das war nicht er, das fühlte sich extrem unangenehm an. "Klar", murmelte er. "Aber wie bereits erwähnt, ich habe nicht viel Ahnung."
    Eduard atmete aus, streckte ihm seine Hand entgegen. "Wie steht es? Sollen wir nicht auf das 'Du' umsteigen?"
    Vincent blinzelte, zögerte, schlug dann doch ein.
    "Fantastisch", murmelte Eduard zufrieden und warf einen Blick auf die Uhr. "Meine Schicht ist ohnehin gleich beendet."
    Vincent sah auf seine Hand, die eben noch Eduards geschüttelt hatte; sie kribbelte seltsam. Etwas Neues bahnte sich an, etwas Unerwartetes und er war sich keineswegs sicher, ob er es begrüßte. Zudem glaubte er nun in sich die Nervosität zu spüren, die er eben noch in Eduard wahrgenommen hatte.
    Eigentlich dachte er von sich, dass er für gewöhnlich recht wenig Gelegenheiten bot, ihm, seinen Absichten und seiner Natur in die Karten zu sehen. Es war einfacher auf diese Weise. Was auch immer ihn verraten hatte, Vincent war nicht glücklich darüber. Er wich Eduards Blick aus, fragte sich, ob es an der Menschenkenntnis lag, von der Eduard gesprochen hatte. Obwohl er selten geneigt war, an derartige Fähigkeiten zu glauben. Wenigstens wenn sie über eine gute Beobachtungsgabe hinausging. Bislang hatte ihn zumindest noch keiner als schwul erkannt. Zumindest solange er es nicht darauf anlegte. Und das war hier mit Sicherheit nicht der Fall gewesen. Oder sandte er Signale aus, weil er sich langweilte? Weil das tropische Paradies weniger atemberaubend schien, als er es sich vorgestellt hatte? Weil ihn der Frust unbewusst dazu veranlasste, seine Fixierung auf das karibische Abenteuer, das Eintauchen in Meer und Sonne, beiseite zu schieben und wie das Klischee eines Touristen auf die Suche nach einem erotischen Abenteuer umzusteigen?
    Das sah ihm nicht ähnlich. Ebenso wenig allerdings wie es ihm ähnlich sah, am frühen Nachmittag Cocktails zu trinken.
    Eduard riss ihn aus seinen Überlegungen, als er sprach, wenngleich nicht mit Vincent. Stattdessen begrüßte er einen Ankömmling, der ein ähnliches Hemd und ähnliche Shorts trug wie er, dessen Haar allerdings kurz und lockig vom Kopf abstand und der weiße Zähne in einem attraktiven, dunklen Gesicht blitzen ließ.
    Ja, eindeutig legte das Unternehmen Wert auf das äußere Erscheinungsbild.
    Eduard wechselte mit ihm ein paar Worte, bevor er hinter dem Tresen hervorkam und Vincent zunickte. "Wollen wir?"
    "Was? Jetzt?" Vincent klagte insgeheim den Alkohol an, seine Begriffsstutzigkeit zu verdreifachen. Der Himmel oder besser gesagt nur Eduard wusste, was alles in dem blauen Getränk steckte. Nichtsdestotrotz hielt er sich gerade, als er Eduard aus dem Gebäude folgte und die schwüle Hitze wie eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher