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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
Autoren: Jana Seidel
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fehlte.
    »Ja«, sagt Moira.
    »Was ist passiert?«, frage ich klamm. An irgendeinem Punkt müssen die beiden sich dann getrennt haben. »Eines Tages war Zuckermann verschwunden«, sagt sie und blickt traurig auf das Wasser.
    »Und dann schrieb er dir den Brief, in dem er dich bittet zu warten. Er musste nach Deutschland, weil seine Mutter krank war.«
    Langsam setzen sich alle Puzzlestücke zusammen.
    »Ja, der Brief. Dummerweise habe ich den nicht bekommen. Der Laden von Nellies Eltern war gleichzeitig unsere Poststelle.«
    »Nellie hat den Brief abgefangen?«
    Moira nickt.
    »Wie gemein! Aber es gab doch auch noch Telefone. Warum
hast du ihn nicht einfach mal angerufen und gefragt, was los war?«
    »Ich war zu stolz.«
    »Er hätte sich auch melden können«, wendet Colin ein. »Er muss sich doch gewundert haben, dass von dir keine Reaktion kam?«
    »Er war verschroben. Für ihn war mit dem Brief alles gesagt. Und hätte ich den Brief bekommen, hätte ich auch nicht geantwortet, sondern einfach vertrauensvoll auf ihn gewartet. Das wusste er. In solchen Dingen waren wir beide keine großen Redner.«
    Um mir eine Moira vorzustellen, die stumm hinnimmt, fehlt mir die Fantasie. Es ist so niederschmetternd.
    »Ich habe trotzdem ein Jahr gewartet. Dann habe ich mich von meinen Eltern dazu drängen lassen, zu heiraten. Und Richard war ein wirklich netter Mann, der sich sehr um mich bemüht hat. Es war eine gute Ehe.«
    »Und du hast Hermann nie wieder gesehen?«, frage ich bedrückt.
    »Doch«, sagt Moira leise. »Kurz nach meiner Hochzeit stand er freudestrahlend vor meiner Tür. Ich habe sofort begriffen, dass etwas unvorstellbar Dummes passiert sein musste, und habe ihn schnell in sein altes Cottage geschickt, damit Richard nichts bemerkt. Ich habe ihm gesagt, ich würde gleich nachkommen.«
    Sie schluckt. »Als ich dann im Cottage war, hat er immer wieder davon gesprochen, dass wir am besten sofort heiraten sollten. Er faselte die ganze Zeit etwas von einem Brief. Es dauerte eine Weile, bis ich mir zusammenreimen konnte, was geschehen ist. Ich musste Hermann trotzdem sagen, dass es für uns zu spät war. Ich konnte meinen Mann
einfach nicht verlassen. Das hätte ihm das Herz gebrochen. Hermann hat kein Wort mehr gesagt und ist abgereist. Danach habe ich ihn nie wiedergesehen.«
    Mein Gott, was für eine traurige Geschichte.
    »Aber wie sind dann das Buch und der Brief hierhergekommen? «, will ich wissen.
    »Ganz einfach. Nellie hat nicht aufgehört uns zu hassen. Dabei kam ihr ein netter Einfall. Zuckermann hatte aufgehört zu schreiben und war schnell pleite. Aus Verzweiflung hat er die drolligen kleinen Feengedichte verschachert, die eigentlich nur als Spielerei für uns gedacht waren und die nie dem Blick einer Außenwelt standhalten sollten. Er hat sich damit keinen Gefallen getan. Nellie hat mir zu meinem fünften Hochzeitstag – zu dem Zeitpunkt hatte es sich schon rumgesprochen, dass Zuckermann am Ende war – ein kleines Päckchen gepackt. Die Gedichte und den Brief. Auf das Päckchen hatte sie geschrieben, ›Von Schwester zu Schwester‹. Ich kann mir ihr höhnisches Gesicht beim Schreiben gut vorstellen. Am liebsten wäre ich sofort zu Hermann geeilt. Mir war egal, was andere von ihm hielten – ob er reich und berühmt war oder arm und verkannt. Aber mir fehlte der Mut. Wir hatten unsere jugendliche Leichtigkeit verloren und ich wusste nicht, ob wir mit all diesen Schrammen noch eine Chance haben würden. Auch wollte ich nicht ein ungewisses Glück auf das sichere Unglück eines anderen aufbauen. Richard wäre verzweifelt gewesen. Es sollte vielleicht einfach nicht sein. Ich habe das Buch mit dem Brief wohl einfach im Cottage zurückgelassen. Aber aus Fehlern sollte man lernen … Und jetzt wird mir kühl und ich gehe zurück zu den anderen.«

    Schwupps ist Moira wieder das alte Raubein, zündet sich schnell noch eine Fluppe an und verschwindet mit einem kleinen Grinsen.
    »Uff, ich glaube, ich muss mich erst mal setzen«, sagt Colin und lässt sich auf den Stein fallen.
    Ich setze mich schweigend neben ihn. Über den Wipfeln sehe ich das Feuerwerk. Der Sieger des Sängerfestes steht also. Ich wette, es ist Seamus.
    »Na, das war ja mal eine eindeutige Botschaft. Was, Louisa? «
    »Hä?«, frage ich blöd und suche in dem Goldregen eine Antwort.
    »Dir ist doch klar, warum Moira uns die ganze Geschichte doch noch erzählt hat – von wegen Missverständnisse, die sich irgendwo zwischen Deutschland und
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