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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
Autoren: Jana Seidel
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herum?« Er weiß es also auch!

    Und natürlich kommt genau in dem Moment Colin auf uns zu und bleibt neben mir stehen. »Ich weiß nicht, was Henry gemacht hat, aber die Journalisten sind schwer beeindruckt von unseren Ausstellungsstücken. Dem Walpenis und so.« Colin gluckst ungläubig. Dann entdeckt er Hrithik, der ihn neugierig ansieht. Nun habe ich wohl keine Wahl mehr.
    »Colin, das ist Hrithik.« Sie schütteln einander höflich die Hand. Dann flüstert Colin mir zu: »Wieso starrt der mich so an?«
    Hrithik grinst verschwörerisch. Mir wächst das alles gerade ein wenig über den Kopf. Freunde sind doch manchmal so etwas von überflüssig und werden restlos überschätzt. Ich erschrecke selbst, als ich den archaischen Urschrei höre, der meiner gequälten Brust entfährt. Ein echt lauter, frustrierter Aufschrei. Colin springt erschrocken zur Seite. Hrithik murmelt kopfschüttelnd und höflicherweise auf Englisch so etwas wie »Frauen, man weiß nie, wann sie vollends durchdrehen«. Derweil drückt er dem verdutzten Colin ein Bier in die Hand. Colin ergibt sich schnell und bereitwillig, zuckt mit den Achseln und stößt mit Hrithik an. Sie schweigen. Dann sitzen sie beide nebeneinander auf der Bank und schauen zufrieden ins Leere. Ein klassisch-männliches, globales Verbrüderungsritual, möchte man meinen. Jetzt brauche ich dringend eine kleine Östrogenspritze. Jemanden, der mich wirklich versteht. Ich mache mich auf die Suche nach Juli. Als ich sie endlich finde, unterstützen wir abwechselnd Teresa und Tanja an ihrem Stand, dann lösen uns Moira und Violet ab, damit Juli und ich Peter und Papa in der Bude unter die Arme greifen können. Es ist nämlich mächtig voll geworden. Überall sind
nur fröhliche begeisterte Gesichter zu sehen. »Das sind alles die Nichten und Neffen von meinem lieben Rory«, ruft eine blonde Frau begeistert und zeigt auf Peter, Juli und mich. Ich erkenne die Witwe von unserem kleinen Beerdigungsausflug. In meinem Kopf dreht sich alles. Ich versuche gleichzeitig, gut gelaunt Fritten unter die Leute zu bringen und eine vernünftige Entscheidung aus meinem Gedankenstrom zu formen. Aber da wirbelt es nur wild umher: Louisa-Colin-Dublin-Hamburg-Liebe-Glück-Sex-attraktive-Studentinnen-Elend. So geht es eine ganze Weile, bis es um uns herum ruhiger wird. Die Gesangseinlagen beginnen, und die meisten Gäste zieht es nun zum Schloss.
    »Peter und ich kommen hier jetzt alleine klar. Geht ihr Mädels doch zu den anderen und hört euch die Musik an«, sagt mein Vater und knufft mich liebevoll.
    »Au ja, Gerhard, prima Idee«, sagt Juli und hakt putzmunter den willenlosen Roboter (mich) unter. Vor der Bühne ist es ziemlich voll. Es dauert eine Weile, bis wir ein bekanntes Gesicht finden. Hrithik und Colin steuern auf uns zu. Alle beide sind inzwischen merklich angeheitert.
    »Ich schau mal, wo Tanja ist«, murmelt Hrithik und verschwindet. Auch Juli verdrückt sich rasch im Gewusel, aber nicht ohne mir vorher zigmal penetrant zuzuzwinkern. Toll, nun stehen Colin und ich zu zweit vor der Bühne und hören uns einen Haufen rührseliger Lieder über Liebe, Tod und Irland an. Um ehrlich zu sein, höre ich gar nicht zu. Ich merke nur, dass Colin neben mir steht und weiß, dass ich immer noch keine Lösung habe.
    »Ich glaube, uns würde niemand vermissen, wenn wir uns jetzt ein halbes Stündchen verdrücken. Die Musik läuft und
die anderen haben den Ausschank unter Kontrolle. Lust auf einen kleinen Spaziergang?«
    Ich nicke klamm. Ohne uns abzusprechen, steuern wir automatisch auf das kleine Wäldchen zu, in dem die steinernen Überreste der einstigen Burg stehen. Beim Vorbeigehen sehe ich Hrithik, der offenbar Tanja gefunden hat. Sie stehen am Rande des Publikums und knutschen, als ob es kein Morgen gäbe. Das muss ich unbedingt mit Toni und Juli aufarbeiten, sobald ich diesen Spaziergang hinter mir habe.
    »Wir haben ganz vergessen, das Zuckermann-Rätsel zu lösen«, sagt Colin.
    »Das ist wirklich sehr schade«, sage ich schnell und greife das Thema dankbar auf, weil es mir, verglichen mit allen anderen Themen, die wir nun besprechen könnten, viel weniger brisant vorkommt.
    »Stimmt«, sagt er und lächelt ein wenig. »Aber vielleicht bekommen wir das ja noch irgendwann hin.«
    »Meinst du wirklich, wir können Violet danach fragen, ohne dass uns die ganze Bagage lyncht?«
    »Violet?«, fragt er gedankenverloren und lächelt mich schon wieder so merkwürdig wissend von der Seite
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