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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
Autoren: Jana Seidel
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diesmal fauche ich sie nicht an. Ich würde mich jetzt auch selbst auslachen. Ich bin kurz davor, Colin anzurufen und ihm zu sagen, dass ich eine Idiotin war, und
ihn zu fragen, ob er mich zurücknimmt. Ihm zu sagen, dass ich liebend gerne zumindest für eine Weile in Irland leben würde, um zu testen, ob etwas aus uns werden kann. Aber dann wäre mein schöner neuer Job futsch, der mir sogar Spaß machen würde, wenn ich mich nur etwas besser auf ihn konzentrieren könnte. Und es bestünde ja immer noch die Gefahr, dass es mit Colin kolossal schiefgeht. Und dann?

    Eine wirklich gute Antwort ist mir auch noch nicht eingefallen, als Tanja, Toni, Juli und ich zwei Tage später im Flieger nach Irland sitzen. Mal wieder. Eine Wohnung habe ich übrigens auch noch nicht gefunden. Ich habe an diesem Tag auch noch nichts gegessen, weil ich so einen Bammel davor habe, plötzlich Colin gegenüberzustehen. Werde ich ihn gleich heute Abend sehen? Bestimmt kommt er aus Dublin angereist. Schließlich sind wir abends im Schloss verabredet. Und dann zählt jede Minute. Es bleiben uns nur noch vier Tage bis zum großen Event. Da muss einfach alles reibungslos funktionieren. Gott, mir ist übel.
    Ich verstehe gar nicht, wie die anderen so gelassen bleiben können. Nun, vielleicht weil sie nicht unter einer Mehrfachbelastung leiden. Sie können einfach im guten Glauben anreisen, dass alles ganz großartig wird. Meine Zukunft hingegen ist ganz und gar ungewiss. Was soll ich nur tun? Alles riskieren und bei Colin bleiben, falls der mich überhaupt noch nimmt? Oder mich drauf verlassen, dass ich ihn vergessen werde wie man alle Menschen früher oder später vergisst, die man nicht ständig vor Augen hat. Würden Juli, Tanja, Toni und ich uns dann auch irgendwann nicht mehr
kennen, wenn ich hierbliebe? Blödsinn, echte Freundschaft vergeht nicht. Aber wahre Liebe vielleicht auch nicht? Falls es sie überhaupt gibt! Mein Herz macht einen kleinen Hüpfer beim Anblick der grünen Küste, die sich so langsam vom Flugzeugfenster aus erkennen lässt. Fühlt sich ein bisschen an, wie nach Hause zu kommen.
    »Zuhause ist da, wo das Herz ist«, sagt Tanja mit einem weisen Lächeln. Habe ich etwa laut gesprochen?
    Juli kichert. »Genau! Du siehst ganz blass aus, Louisa. Nimm lieber einen Kaugummi, wenn wir zur Landung ansetzen. Ich habe echt keine Lust, dass du mich auch noch vollkotzt. Heb dir das für Colin auf. Der steht drauf!«
    Ich habe es aufgegeben, jedes Mal eine Zornesfalte auf der Stirn zu produzieren, wenn eine meiner Freundinnen diesen Namen erwähnt. Bringt ja doch nichts. Ich nehme mir dennoch sicherheitshalber einen der Kaugummistreifen, die Tanja mir hinhält. Die sind Bio. Fair gehandelt. Mit Regenwald-Aroma. Steht wirklich drauf. Kein Scherz. Bäh!
    Am Flughafen warten mein Vater und Teresa auf uns, die ich umso mehr ins Herz geschlossen habe, seit ich nun auch Theo kennengelernt habe. Eine italienische Köchin mit Kunstgeschichtskenntnissen in der Verwandtschaft ist echt brauchbarer, als ein Adonis, der nutzlose Aquarelle malt. Wir fallen uns alle um den Hals. Als wir im Auto über die Dörfer kurven – Juli, Tanja, und ich mit der schmalen Toni auf dem Schoß auf die Rückbank gequetscht –, kommt es mir so vor, als wären wir nie weggewesen. Warum können wir nicht einfach alle hierherziehen und eine Imbissbude aufmachen? Hoppla! Haben wir ja schon. Ich bin so gespannt, wie sich Peter schlägt. Teresa reicht uns vom Beifahrersitz einen Pappkarton nach hinten.

    »Ich wette, ihr habt im Flieger keines von diesen ekligen Sandwiches genommen und sterbt nun vor Hunger.«
    Tanja hebt den Deckel hoch. In dem Karton sind die selbstgebackenen Törtchen, über die sie sich mit Teresa per E-Mail ausgetauscht hat. Die sehen fantastisch aus. Vielleicht sollte ich in eines reinbeißen. Vermutlich ist mir nur so übel, weil ich gar nichts gegessen habe. Und wenn ich jetzt nichts esse, wird mir immer übler. Könnte doch gut möglich sein! Ich schnappe mir eines mit Johannisbeersahne.
    »Göttlich«, rufe ich.
    »Lass das nicht deinen Vater hören, der durfte nämlich kein einziges naschen.«
    Der Angesprochene setzt einen leidenden Welpenblick auf.
    »Hm, lecker«, sagt Toni, die sich inzwischen auch den Mund vollgestopft hat.
    Tanja und Juli genießen mit geschlossenen Augen.
    »Louisa, du als meine Tochter gibst mir doch bestimmt ein Stück ab?«
    »Wie viele hat er sich stibitzt, bevor du das Päckchen für uns gepackt hast,
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