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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
Autoren: Jana Seidel
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an.
    Irgendwie macht er mir Angst. Es ist Vollmond. Was, wenn er sich gleich in einen Werwolf verwandelte? Keiner würde meine Schreie hören. Ich beschließe nichts mehr zu sagen und einfach stumm neben ihm herzulaufen, bis er anfängt zu reden. Als wir bei den Mauern am Bach angelangt sind, kreische ich los. Vor uns sehe ich nämlich – an die Steine gelehnt – die Umrisse einer zusammengekauerten Figur. Es spukt hier wirklich. Herrgott, ich Ungläubige. Es gibt hier Geister.

    »Psst!«, macht das Gespenst und kommt auf mich zu. Es ist Moira.
    Ich bekomme wieder Luft. »Was soll das? Wollt ihr mich verarschen?« Dieser Blödsinn macht mich echt wütend.
    »Nur ein kleiner dramatischer Effekt als Dankeschön dafür, dass du deine Freunde hierhergebracht hast. Als Dankeschön für alles. Die anderen speisen wir mit Gratisübernachtungen auf Lebenszeit ab, aber für dich sollte es etwas Besonderes sein. Das Hotel ist für die nächsten drei Monate jetzt bereits fast ausgebucht«, erklärt Moira.
    Ich sehe zu Colin. Der schaut mit bemüht unschuldiger Miene auf das Wasser. Moira grinst und zieht an einer ihrer Zigaretten. »Colin hat mir von eurem Verdacht erzählt. Ihr wart euch so sicher, dass es Violet sein muss. Er wollte wissen, ob ihr es wagen könnt, sie anzusprechen. Nach all der langen Zeit.«
    »Und jetzt wirst du es uns erzählen?« Ich schaue sie ungläubig an.
    »Sicher«, sagt sie und spielt vergeblich die Ungerührte. Ihre Schultern zittern ein wenig. »Ich weiß schließlich viel besser, was damals passiert ist. Schließlich war ich diejenige, die mit Zuckermann zusammen war.«
    »Du?«, ruft Colin laut.
    Ich sehe ihn überrascht an. »Hey, ich dachte, du wärst in alles eingeweiht.«
    »Sie hat nur gesagt, dass sie uns die Geschichte erzählt. Ich dachte, sie wollte Violet ersparen, es selbst zu tun.«
    »Oh, na dann.«
    »Wollt ihr die Geschichte jetzt hören oder nicht?« Moira sieht uns beide scharf an.

    »Na klar«, sage ich schnell.
    Und dann fängt sie an zu erzählen. Wie Zuckermann auf der Suche nach Inspiration ins Dorf gekommen ist und sich gleich in die verführerische Nellie verliebt hat, die sich ihrerseits unbedingt Henry greifen wollte. Wobei es ihr weniger um Henry ging, sie hatte es vielmehr auf ein Leben in Saus und Braus auf einem Schloss abgesehen. Wie sie trotzdem Zuckermann schöne Augen gemacht hat, weil der sich sehr schnell mit Sir Henry anfreundete. Wie sie ihre Schwester geärgert und gepiesackt und klein gehalten hat, damit niemand merkt, dass Violet in Wahrheit viel hübscher und netter ist. Wie auch Moira auf Nellies Charme reingefallen war und sich mit ihr so eng anfreundete, dass man eher sie für Nellies Schwester hielt als Violet.
    »Die Schwestern haben uns auf die falsche Fährte gebracht«, raune ich Colin zu. »Wir dachten, es wären auch im echten Leben Schwestern gemeint.«
    Moira lacht. »Nein, damit waren Nellie und ich gemeint. Hermanns Begeisterung für Nellie hielt nicht lange an. Und ihre Ränkespiele flogen schnell auf. Als ich gemerkt habe, dass sie sich gar nicht für mich, sondern nur für meinen Bruder interessiert und was für ein krummes Spiel sie mit Hermann treibt, habe ich sie nicht mehr zu uns eingeladen. Zuerst habe ich Violet nur dazugeholt, um Nellie etwas zu ärgern. Aber dann waren wir schnell ein eingeschworenes, unzertrennliches Team. Manchmal kam unsere Schwester Helen noch dazu. Aber sie war etwas jünger und meist mit ihren gleichaltrigen Freunden zusammen. So waren wir meistens unter uns. Henry verliebte sich in Violet. Bei Hermann und mir dauerte es etwas länger, weil es so viele Missverständnisse gab.« Sie unterbricht sich und wirft Colin und
mir einen lauernden Blick zu. »Dafür gingen unsere Gefühle danach umso tiefer. Wir vier passten perfekt zueinander und haben uns in unsere eigene Welt eingesponnen. Kleider getragen aus einer Zeit, die sogar damals schon längst vergangen war. Gedichte im Stil alter Romantiker verfasst und literarische Picknicks veranstaltet, wo wir uns unsere Ergüsse vorgelesen haben. Es war für uns ein Spaß und eine Spielerei mit versteckten Botschaften. Es war liebenswerter Unsinn, der nur uns gehörte. Keiner von uns hat daran gedacht, dass einmal die Außenwelt oder gar eine Nachwelt etwas von dem beurteilen würde, was wir da so alles trieben. Wir waren so jung.«
    Moira stockt.
    »Das Foto auf eurem Kamin hat Zuckermann gemacht, oder?« Er ist der, der in der lachenden unbeschwerten Runde
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