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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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Großbritannien und Irland erweitert.
    Wir begannen ganz oben. Gyalwa Karmapa hatte uns mit einem Brief an Ihre Majestät Königin Margarete von Dänemark nach Hause geschickt. Schon wenige Tage, nachdem wir gelandet waren, kam die Einladung zur Audienz. Sie lag zwischen unserer Post, als wir morgens aus den Wäldern Südschwedens zurückkehrten. Das Haus mit unserer 15-Euro-Dachwohnung im fünften Stock stand gegenüber der berühmt-berüchtigten Hippiekolonie Christiania und wurde einige Jahre später, als die Behörden entdeckten, dass es tatsächlich bewohnt war, abgerissen. Bis zur Audienz blieben uns knapp zwei Stunden. Nach der langen Zeit im Osten waren wir auf einen solchen Empfang nicht vorbereitet. Hannah fand nur einen uralten Rock, und ich musste den inneren Saum meiner einzig annehmbaren Hose mit Sicherheitsnadeln zusammenstecken, in der Hoffnung, dass niemand meine Militärstiefel darunter entdecken würde. Ich zog eine Jacke an, die ein Zwerg bei seiner Konfirmation getragen haben musste, und verwendete einen furchtbaren Schlips, den ich während meiner Internatszeit in den USA zur Verärgerung der Lehrer getragen hatte.
    Mit quietschenden Reifen erreichten wir den dänischen Regierungssitz Christiansborg, parkten unseren rostigen VW neben den glänzenden Limousinen und betraten das Gebäude. In einem Vorraum warteten ungefähr fünfzig federgezierte Herren mit Säbeln, die vermutlich einen Orden bekommen sollten. Hinsetzen konnte ich mich nicht, sonst wäre meine Hose aufgegangen. Glücklicherweise bemerkte niemand unseren peinlichen Zustand, und kurz danach wurden wir in einen anderen Raum gebeten.
    Es war ein großes Erlebnis. Man mag über das Königtum denken wie man will, doch in jedem Königreich gibt es nur einen Menschen, der das Karma hat, diese oberste Aufgabe zu erfüllen. Ich erlebte unsere Königin strahlend und umgeben von viel starker guter Energie. Margarete konnte ihre Augen nicht von unserem Hauptgeschenk abwenden, einer kleinen Statue der Weißen Befreierin. Sie stammte aus Karmapas Kloster in Sikkim und glich der Königin aufs Haar. Margaretes Offenheit war ehrlich, nicht gekünstelt. Einige Monate zuvor war sie selbst in Nepal gewesen und hatte den Besuch sehr genossen. Jetzt war sie gespannt auf unser Buch “Der Diamantweg”, entstanden aus Kalu Rinpoches Belehrungen. Es war eine Freude, ihr zu begegnen, und der Eindruck ihrer Größe ist bis heute in uns lebendig geblieben.

    Herbst 1972

    Im Winter 1972 gab es mehrere Zeichen, dass sich Karmapas Energie an den von uns besuchten Stellen verdichtete. Zum Beispiel verwendeten wir unseren ersten Lohn, um das eine unserer beiden winzigen Dachzimmer im besten tibetischen Stil zu streichen. Ganz in Gedanken versunken und sicher von den Farbdämpfen benommen, sprach ich das Mantra unseres Schützers Schwarzer Mantel laut aus - was man niemals tun sollte. Meine Stimme ging in einem Ohren betäubenden Lärm unter. Hunderte von streunenden Hunden in der Hippiekolonie heulten ohne ersichtlichen Grund gleichzeitig auf. Einen Moment lang stand alles still, und wir spürten, dass das Kraftfeld unserer tibetischen Linie jetzt völlig im Westen angekommen war. Es verließ uns nie mehr, und so entstanden bis heute, von unserer bescheidenen kleinen Gruppe in Dänemark ausgehend, über vierhundertfünfzig Zentren rund um die Welt.

    Im Dezember 1972 öffnete eine Fahrt zur Insel Fünen neue Dimensionen. Ich war von der Pädagogischen Hochschule in Odense eingeladen worden, die uraltes buddhistisches Meditationswissen mit den neuesten Techniken der Gruppentherapie und des Sensitivitäts-Trainings verbinden wollte. Das war leicht, denn sie hatten sowieso ihre besten Mittel vom Buddhismus abgeleitet. Nach dem Kurs stopften wir, wie so oft in den nächsten Jahren, ein Dutzend Teilnehmer in den VW und fuhren zu unserem Hof in den schwedischen Wäldern. Hier kam ein Gruß von unserem ersten Lama Lopön Tsechu aus Nepal an: Unerklärlicherweise begann sein Bild laut und lang zu brummen.

    Das bedeutendste Ereignis in jenem Winter verdankten wir Professor Kjell Sellin, der damals großen Einfluss auf den Zeitgeist hatte. Er war ein kräftiger, fröhlicher Mann norwegisch-schwedischer Abstammung, der zum Geburtshelfer fast aller “neuen geistigen Richtungen” in Dänemark wurde. Einige unserer Freunde, die fast rund um die Uhr bei uns gestapelt saßen, hatten von einer spannenden Sache gehört. Der Professor bereitete eine dreiwöchige Ausstellung mit
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