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Typisch Mädchen

Typisch Mädchen

Titel: Typisch Mädchen
Autoren: Marianne Grabrucker
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mit dem Begriff »angeboren« etikettiert, und an eben.dieser Stelle findet die Verwechslung statt. Ich halte es daher für einen Irrweg und für gefährlich, wenn die fortschrittlichen oder nachdenklichen Mütter nur deshalb an den angeborenen Unterschied glauben, weil sie trotz bester Vorsätze in der täglichen Routine von Mutter und Kind in einer patriarchalischen Gesellschaft keinen »Erfolg« sehen.
    Nur die vielen täglichen Ereignisse ergeben ein Gesamtbild, und plötzlich steht frau erstaunt vor einem »Buben« und einem »Mädchen«. Es ist klar, daß dazu nicht einige wenige Faktoren reichen, wie zum Beispiel die eine Puppe für den Buben, um aus ihm ein Mädchen zu machen. Das macht erst die Summe aller Einflüsse über lange Zeit, über Jahre hinweg. Es kann nicht genug hervorgehoben werden, daß nicht allein die emanzipatorisch erziehenden Mütter ihre Kinder beeinflussen, sondern daß diese in einer »Atmosphäre« aufwachsen, die zweifellos ein Geschlecht begünstigt. Alle Bedingungen sind in einer männlich orientierten Gesellschaft für das Aufwachsen von Buben besser als für Mädchen. Dies ist keine leere Behauptung. Das tägliche Uberprüfen der Geschehnisse hat mich vielmehr einiges dieser »Atmosphäre« erfassen lassen. Daß in der Erziehung von Bub und Mädchen ein Unterschied gemacht würde, weisen alle weit von sich. Auch der Junge soll Hausarbeit verrichten, so versichern die Mütter. Er darf Staub wischen, er kann sogar mit vier Jahren schon Kaffee kochen. All das wird als etwas ganz besonders Fortschrittliches hervorgehoben, mit entsprechender Betonung und großem Applaus für den Buben! Natürlich bekommt er auch eine Puppe und darf weinen. Nie würde eine dieser Mütter zu ihrem Sohn sagen: Ein Junge weint doch nicht! Es ist inzwischen selbstverständlich, daß die Mädchen in Hosen herumsausen, genauso toben und sich dreckig machen, gleiches Spielzeug wie die Buben haben. Allen ist klar, daß es zwar rollenspezifische Erziehung gibt - aber sie findet in irgendwelchen anderen, konservativen Elternhäusern statt. Vielleicht bei Müttern, deren althergebrachtes Weltbild nie durcheinandergeriet oder in Frage gestellt wurde, überall sonst, nur nicht bei uns. In späteren Jahren, wenn die Kinder dann in Kindergarten und Schule gehen, ja, da weiß frau dann aus der entsprechenden Literatur, wie geschlechtsspezifisch erzogen wird 5 , und dann muß das Elternhaus auch dagegen angehen. Aber bis dahin, solange wir selbst für die Erziehung unserer Kinder sorgen, gibt's keine Unterschiede. Höchstens, daß für den Jungen die Vorstellung, ins Ballett zu gehen, von vornherein abgewiesen wird oder daß das Mädchen an heißen Sommertagen auch ein Kleid statt einer Hose trägt. Das wäre aber auch alles, so könnten wir schwören. Wir fühlen uns daher auch ein wenig betroffen, wenn wir bei Elena Gianini Belotti 6 von konventionellen elterlichen Verhaltensweisen lesen. Ihr 1973 in Italien erschienenes und von italienischen Erziehungsverhältnissen ausgehendes Buch trifft in den geschilderten Beispielen nicht mehr auf die Situation der in der Bundesrepublik in den 80er Jahren geborenen Kinder zu - so meinen wir. Das Redaktionskollektiv Frauenoffensive 7 teilt diese Ansicht, ebenso Ilse Brehmer 8 in einem Aufsatz über Feministische Pädagogik, wenn sie sagt: »Manche der referierten Ergebnisse erscheinen zweifelhaft (etwa die generell geringere Zuwendung von Müttern zu Töchtern bei Stillzeiten, ebenso die Bedeutung von rosa  Kleidchen für Mädchen). Einige Ergebnisse beruhen auf Laboruntersuchungen in den USA und Frankreich. Diese sind aufgrund des artifiziellen Rahmens nur beschränkt zu verallgemeinern, andere Beobachtungen mögen nur kulturspezifisch sein. Belottis Beobachtungen beziehen sich nur auf Italien. "Weiteres mag durch die Entwicklung der letzten Jahre, insbesondere durch die neue Frauenbewegung, überholt sein. Genauere Untersuchungen und interkulturelle Vergleiche wären hier angezeigt.«
    Von den meisten Untersuchungen finden wir uns deshalb nicht unmittelbar angesprochen. Wir schließen in einer Art von Verblendung aus der Tatsache fehlender empirisch belegbarer Erkenntnisse aus den letzten Jahren zum Problem der Geschlechterdifferenzierung in der BRD auf deren NichtExistenz oder Nicht-so-Existenz bei uns. Es hat sich doch bei uns so vieles verändert, behaupten wir. Bei uns jedenfalls als zufällig ausgewählten, durchschnittlich fortschrittlichen, politisch denkenden Personen
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