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Typisch Mädchen

Typisch Mädchen

Titel: Typisch Mädchen
Autoren: Marianne Grabrucker
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undenkbar.
    Ich diskutiere mit einigen anderen Schwangeren, die das Geschlecht ihrer Kinder bereits wissen, und mit einigen "Wöchnerinnen über unsere Vorstellungen und Gefühle hinsichtlich des Geschlechts der Kinder. Es stellt sich dabei folgendes heraus : Töchter-Mütter sehen ihr Kind als "Wiederholung ihrer selbst; sie empfinden eine starke Symbiose mit dem Mädchen und fühlen sich kompetent für die Tochter bis weit über die Pubertät hinaus. Sie wissen Bescheid über sie. Sie haben Zukunftsvorstellungen für die Tochter im Sinne eines »besseren Lebens«.
    Söhne-Mütter drücken ihre Gefühle so aus: In erster Linie fühlen sie sich durch den Sohn intensiver an den Vater des Kindes und die Liebesbeziehung zu ihm gebunden. Ansonsten sind sie unsicher gegenüber dem fremden kleinen Mann und lassen die Zukunft für ihn offen. Sie wollen einfach alles auf sich zukommen lassen und sich nach der »Natur« des Kindes richten. Nichts ist vorbestimmt durch die Mutter. Für ihn hat sie und kann sie kein »besseres Leben« in der Schublade haben, weil sie ja gar nicht so genau über die Probleme des Heranwachsens, über die Nöte des kleinen Buben Bescheid weiß. Er ist anders als seine Mutter, und dieses Anderssein bedeutet für die Mutter Distanz. Paula, eine Mutter, deren zweites Kind eine Tochter war, drückte es so aus: »Ich bin froh, daß mein erstes Kind ein Sohn und keine Tochter war. Das war in meiner persönlichen Entwicklung das einzig Richtige. Ich war nämlich bei meinem ersten Kind mit meinem Frau-Sein noch nicht im reinen, ich hatte meine Rolle als Frau noch nicht richtig in der Hand. Ich hätte einer Tochter damals gar nicht so sicher in mir selbst und in meinen Vorstellungen von meiner eigenen Stellung gegenübertreten können; da war es mir lieber, mit einem Buben konfrontiert zu sein, denn der war eben gleich das Fremde und andere. Bei dem mußte ich mich nicht so mit mir selbst auseinandersetzen.«
    Ich halte diese Aussage für grundlegend im Hinblick auf die Haltung der meisten Mütter ihren Töchtern und Söhnen gegenüber. Sie beinhaltet drei wichtige Feststellungen: 
    1. Die Mutter identifiziert sich völlig mit der Tochter. Das, was sie für sich selbst als »Frau« herausgefunden hat, soll auch Gültigkeit für die Tochter haben. Eine sichere Mutter tritt der Tochter gegenüber und gibt sich selbst mit ihrer Frauenrolle dem kleinen Mädchen vor. Die Regeln für dessen Erziehung sind von der Mutter an sich selbst erarbeitet und sind ihr bekannt.
    2. Sie erarbeitet sich eine psychische Situation, die neu ist gegenüber dem alten Frauenbild. Erst mit dieser Sicherheit der »neuen Frau« fühlt sie sich gut genug, der Tochter gegenüberzutreten. Das Mädchen wird mit dem Neuen konfrontiert.
    3. Für einen Buben gilt automatisch etwas anderes - und das wirlich nur aufgrund seines winzigen Anhängsels am Bauch und all der imaginären Vorstellungen, die sich daran knüpfen. So müssen ihm von der Mutter andere Regeln mit auf den Weg gegeben werden als die, die sie für sich gelten läßt. Seine Rolle ist festgeschrieben als »der andere« und wird kontinuierlich fortgeführt, es bedarf hierzu nicht der »neuen Frau«. Vielleicht macht die Mutter gerade ihre Unsicherheit dem Sohn gegenüber sicher, weiß sie sich doch dabei wenigstens in gesellschaftlicher Übereinstimmung mit der Geschlechterhierarchie.
Juni 1981 (Schwangerschaft)
    Ich treffe eine Bekannte, die Mutter von vier Töchtern ist. Sie erzählt mir von ihren Schwangerschaften: »Bei der ersten Schwangerschaft hatte ich mich innerlich vollkommen auf die Geburt eines Buben eingestellt. Das hatte mir niemand eingeredet, es ging ganz von mir selbst aus. Mein Selbstwertgefühl hing davon ab, denn ich glaubte über einen von mir geborenen Sohn endlich die Kompetenz im Leben zu erhalten, die in meiner Jugend immer nur mein großer Bruder besessen hatte. Der Sohn wäre endlich all das Wünschenwerte gewesen, das ich selbst nie sein konnte - das ganz andere. Über das Mädchen, das ich gebar, war ich aber dann auch glücklich, weil ich jetzt auf einmal eine ganz andere Art von Kompetenz verspürte, nämlich die, über einen anderen Körper sicher Bescheid zu wissen und mich selbst noch einmal in kleiner Ausgabe vor mir zu haben. Das gab mir ungeheure Sicherheit.«
    Auch hier glaubt die Mutter wieder aufgrund der von ihr so empfundenen Einheit mit der Tochter, über das neue Wesen alles zu wissen nach dem Motto: Wir sind das gleiche, wir
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