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Typisch Mädchen

Typisch Mädchen

Titel: Typisch Mädchen
Autoren: Marianne Grabrucker
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praktiziere ich seit längerem gegenüber meiner Tochter die Benutzung weiblicher Bezeichnungen, aber kürzlich auf dem Spielplatz war es mir unmöglich, sie als Lokomotivführerin zu bezeichnen. Das Wort kam einfach in der weiblichen Form nicht über meine Lippen. Ich war wie gelähmt und schwieg dann deprimiert. Wie traurig, daß Mutter und Tochter jeden Tag so vielen Widersprüchen ausgesetzt sind!«
    In einem Brief vom Februar 1985 berichtet sie mir über den Erfolg ihrer sprachlichen Bemühungen bei ihrer Tochter: »... sie zauberte mit folgenden Worten: Hokuspokusfidibus, simsalabim, dreimal schwarze Katerin!« In unserer heutigen Welt gibt es für unsere Töchter noch keine Sterne. Ihr Leben liegt zwischen unseren Beschränkungen und Einschränkungen und unseren Erfolgen und Veränderungen. Ich wünsche dem Buch so viel Wirkung, daß die Sterne für unsere Töchter greifbar werden.
    Senta Trömel-Plötz

Einleitung
    Ein Kind ist geboren, die neue Frau ist da. Ihre Zukunft wird anders aussehen!
    So oder ähnlich waren meine Gedanken, die meiner Freudin-! nen und Bekanntinnen, als meine Tochter geboren war. Es war wie bei Schulanfang, Neujahr, Arbeitsstellenwechsel i oder bei Beginn einer neuen Beziehung: Alles sollte anders, besser werden. Alle Fehler, zumindest diejenigen, die wir zu kennen glaubten, sollten vermieden werden. Ich wollte umsichtig und sorgfältig, ruhig und ausgeglichen vorgehen, um die »Neue Frau« schlechthin werden zu lassen. Ich ging dabei von der Vorstellung aus, daß Erziehung den Mann und die Frau macht, getreu den entsprechenden Sozia-lisationstheorien 1 . Bei meiner Tochter sollte es anders werden. Sie sollte nicht zu der Frau heranwachsen, die wir in der Nachkriegszeit geborenen Frauen geworden waren. Ich wollte nicht, daß sie sich von den Männern ihrer Generation in der Ausbildung, dem Beruf und den persönlichen Beziehungen das gleiche gefallen lassen würde wie wir; auch nicht, daß sie lieb würde, Gedachtes für sich behielte und dazu lächelte, statt den Mund zum Widerspruch aufzutun. Ich wollte nicht, daß sie immer und überall ihre Gedankengänge dreimal überprüfte, ehe sie einen knappen Satz sprach, im Gegensatz zu den langatmigen Ausführungen der Kollegen, die dreimal Gesagtes noch einmal wiederholten. Ich wollte nicht, daß sie in großer Liebe an einem Mann hinge, der an ihr herumnörgeln, sie kritisieren und sie an sich selbst verzweifeln lassen würde. Ich wollte verhindern, daß ihre Berufspläne bescheiden ausfielen, eben an der weiblichen »Realität« orientiert. Sie sollte nach den Sternen greifen! Daß unsere Generation und all die Tausende von Generationen von Frauen vor uns das nicht geschafft hatten, lag ja den Theorien zufolge an der rollenspezifischen Sozialisation in einem lange schon währenden Patriarchat. Dies galt es zu durchbrechen. Die Sozialisation meiner Tochter sollte anders aussehen - bei diesem Neuanfang sollten diese Einflüsse soweit wie irgend möglich ausgeschaltet sein. Ich jedenfalls  wollte in dieser Hinsicht keinen Fehler machen und fühlte mich dazu auch in der Lage. Durch mein Mitleben und Mitwachsen in der Frauenbewegung seit ihren Neuanfängen Ende der 60er Jahre, durch Lesen von Literatur zu diesem Thema, durch eigene Erfahrungen in Beziehungen und mit Benachteiligungen in Studium und Beruf als Juristin glaubte ich mich gefeit gegen jede Art von Erziehung zu mädchenhaftem Verhalten. Ich hatte zu viel darüber nachgedacht und geredet, um mich für anfällig zu halten. War alles durch Erziehung verursacht, dann ließ es sich auch durch Erziehung vermeiden - das war meine Schlußfolgerung. Was allerdings in meiner Vorstellung keinen Platz hatte, war das Mädchen, das bloß ein toller Junge war. Das wollte ich auch nicht. Ich malte mir den endlich von allen Rollenzwängen befreiten Menschen aus, der nicht nach dem Frau/Mann-Schema lebt, sondern sich frei davon entwickelt und entfaltet. Viele »Summerhills« hatte es gegeben, aber ich glaubte, daß bei all diesen Experimenten dieser eine Aspekt immer zu wenig beachtet worden war. Das Hauptaugenmerk richtete sich immer auf »den Menschen«, während die Frau dabei auf der Strecke blieb.
    Ich führte Tagebuch über das Werden meiner Tochter. Im Lauf der Zeit jedoch wurde ich verunsichert und begann, an meiner Prämisse zu zweifeln. Oft war ich drauf und dran, die These aufzugeben und von angeborenem geschlechtsspezifischen Verhalten auszugehen, denn ich konnte mir so manches in
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