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Tu dir weh

Tu dir weh

Titel: Tu dir weh
Autoren: Ilaria Palomba
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Professoren.
    Sie spürt, wie ihr Handy in der Jeanstasche vibriert. Auf dem Display erscheint eine Nachricht: »Hi Mädchen, wir sehen uns um 5 Uhr an der Haltestelle, direkt vor der Kaserne. Carla.«
    Kaserne?
    Herzklopfen.
    »Müssen wir uns ausgerechnet vor der Kaserne treffen?«
    Keine Antwort.
    Stella verlässt hastig das Gelände der Universität, schiebt sich zwischen den Verkaufsständen durch, ein Dutzend Araber fuchtelt mit Ringen, Armbändern und Sonnenbrillen vor ihrem Gesicht. Sie umkurvt sie.
    In zweiter Reihe geparkte Autos. Gruppen von Studenten in Cafés und Focaccialäden. Smoggestank, Verkehr, Hupen. Sie läuft durch die Unterführung, tritt jemandem auf die Füße und drängelt sich zwischen den Leuten durch, die überall im Weg herumstehen. Endlich ist sie beim Largo Ciaia, sieht fünf blaue Busse. Zwei sind kurz vor der Abfahrt. Sie überkommen Zweifel.
    Das Koks.
    Sie betastet ihren BH. Spürt nichts. Fährt sich mit der Hand an die Brust. Spürt das knisternde Tütchen. Drückt es tiefer in den BH, gegen die Haut. Ein paar Männer machen ihr große Augen. Stella will ihnen den Mittelfinger zeigen, beherrscht sich aber.
    Kaum sitzt sie im Bus, klingelt ihr Handy. Es ist nicht Carla.
    »Hallo? Mama ...«
    Das kann doch nicht wahr sein.
    »Ja, ich bin ... Ja. An der Uni.«
    Jetzt muss mir die auch noch auf die Nerven gehen.
    »N-nein, welche Geräusche? Ich bin bei den Kaffeeautomaten. Hier ist ein ziemlicher Lärm.«
    Ist sie ein verdammter Wachhund?!
    »Was soll das jetzt? Ich hatte dir doch gesagt, dass ich nicht zum Mittagessen komme. Was? Papa will mit mir reden? Was will er denn? Bitte komm jetzt nicht noch mal mit der Sache von Samstag, wir haben doch darüber gesprochen. Außerdem habe ich gerade viel zu tun, ich muss lernen.«
    Zum Teufel, lass mich endlich in Ruhe.
    »Ja, ich bleibe in der Bibliothek. Ja. Nein. In Ordnung. Tschüss.«
    Los, leg endlich auf.
    »Tschüss. Tschüss. Tschüüüss!«
    Stella legt mitten im Satz auf und schaltet sofort ihr Handy aus.
    Der Bus fährt in Sarignano delle Murge ein und hält genau vor dem Eingang der Kaserne der Karabinieri. Die Stimme des Fahrers kündigt die Haltestelle an. Stella schreckt auf.
    An einem besseren Punkt hätte er nicht halten können.
    Sie ist die Einzige, die aussteigt. Das weiße Tütchen scheuert auf der Haut ihrer Brust. Juckt. Sie rückt den BH zurecht. Ist draußen. Der Bus fährt ab. Vor ihr steht ein stattlicher, großgewachsener Typ mit Kinnbart. Er taxiert sie mit unverhohlener Neugier.
    Warum starrt er mich so an, das Arschloch?
    Stella schaut sich um, überquert die Straße. Sie sind nicht da. Sie schaltet ihr Handy wieder ein, tippt eine Nachricht an Carla, sagt ihr, dass sie da ist.
    Der Typ folgt ihr. Sie kaut an ihren Fingernägeln.
    Scheiße.
    Er kommt näher. Ein Bulle tritt aus der Kaserne, grüßt den Typ und fragt:
    »Machst du Feierabend?«
    Der andere bejaht und winkt mit der rechten Hand zum Gruß. Sie verabreden sich für den Abend. Das Herz schlägt ihr bis zum Hals. Der uniformierte Bulle entfernt sich.
    Der Typ in Zivil kommt auf sie zu.
    Mist, ich wusste es.
    »Hallo«, sagt er.
    Stella setzt ein unschuldiges Lächeln auf. Ihre Miene bleibt mindestens vier Sekunden eingefroren.
    »Hi.«
    Dann dreht sie sich weg.
    »Alles in Ordnung?«, fragt er.
    »Alles super«, antwortet sie.
    Was zum Teufel will dieser Arsch?
    »Ich habe Sie noch nie in dieser Gegend gesehen.«
    »Ich bin auch nicht von hier«, sagt sie, immer noch lächelnd.
    Das Herzklopfen wird immer stärker. Sie befürchtet, das Tütchen könnte genau jetzt herausrutschen. Sie betastet sich. Atmet ein. Atmet aus. Beißt sich auf die Lippen.
    »Warten Sie auf jemanden?«
    Ja, auf ein paar Junkies.
    »Freunde.«
    »Darf ich Ihnen solange Gesellschaft leisten?«
    Der Typ ist wohl bescheuert.
    »Kein Problem.«
    »Ich bringe Sie nicht in Verlegenheit?«
    »Nein, kein Problem, die kommen sowieso gleich.«
    »Das ist doch keine Art, ein so hübsches Mädchen warten zu lassen.«
    Wusst’ ich’s doch, der ist bescheuert.
    Stella blinzelt ihn an und lächelt. Klingelt Carla an. Dann Marco. Noch einmal Carla. Schreibt eine SMS: »Los, bitte beeilt euch!«
    Der Bulle quatscht weiter.
    »Und was ist mit Ihrem Freund?«
    Na klar.
    »Ich hab’ keinen Freund.«
    »Keinen Freund?« Er tippt sich mit dem Finger an den Kinnbart, seine Stimme wird tiefer: »Wissen Sie, dass ein so hübsches Mädchen ohne Freund große Risiken eingeht?«
    Wo sind wir, im
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