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TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine
Autoren: Hans Kneifel
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den Mund – an der Stelle, wo noch vor zwanzig Stunden der schwarze Knopf des Summers gewesen war, hingen zwei Drähte aus der Wand. Sie sah näher hin; die Enden waren stumpf und verkrustet. Links und rechts von einer Stelle, die etwas heller war als die Umgebung, befanden sich zwei kleine Löcher im Putz. Hier war das Namensschild angeheftet gewesen.
    Beatrice steckte den Schlüssel ins Schloß und versuchte aufzuschließen. Sie schaffte es erst beim zweiten, nachdrücklichen Versuch. Der entsetzliche Verdacht verstärkte sich. Die Tür schwang in rostigen Angeln auf. Muffiger Geruch und Staub schlugen Beatrice entgegen.
    Sie suchte den Lichtschalter. Ein Fragment hing schwarz und zerbrochen an den Drähten von der Wand. Klickend bewegte sich der Porzellanknopf; eine von Fliegenschmutz starrende Birne erhellte sich. Beatrice stand mitten im Gerümpel eines Speichers. Zwei Gartenstühle und ein kaputtes Sofa, dessen Bezug von Spiralfedern durchlöchert war, standen an der Wand. Hier war das Bücherregal gewesen.
    »Das ... darf nicht stimmen«, wimmerte Beatrice gequält, »das ist nicht wahr ... bitte ...« Sie blickte sich hilflos um: Bretter, Staub und ein Stapel Ziegelsteine, ein verwittertes Ölgemälde, ein hölzerner Schrank, spinnwebverkrustete Fenster, rissige Dielen und Staub.
    Sie wandte sich zum Gehen.
    Hinter ihr schloß sich die Stahltür, quietschend und endgültig. Beatrice fuhr wieder hinunter und trat in die Nachtluft hinaus. Sie wußte nicht mehr, was sie tun sollte. Sie ging näher an die Hauswand heran und las die Nummer, die Straßenbezeichnung. Beides stimmte. Wo war Nicholas' Wohnung?
    Nicholas – verschwunden! Die Wohnung – in einen Speicher verwandelt! Beatrice stellte sich einer Frau in den Weg, die aus dem Haus kam.
    »Verzeihung«, sagte sie, »Sie kennen nicht zufällig einen Studenten, der hier im obersten Stock wohnt?«
    Die ältere Frau sah sie verständnislos an.
    »Im obersten Stockwerk?«
    »Ja. Der Student heißt Nicholas Magat.«
    »Dort sind nur Speicher voller Gerümpel«, sagte die Frau. »Im ersten Stock sind zwei Zimmer vermietet, an Mädchen, die hier arbeiten.«
    »Entschuldigung«, sagte Beatrice. »Also kein Student. Sind Sie sicher?«
    »Völlig. Ich wohne seit zehn Jahren hier.«
    »Danke«, sagte Beatrice und sah noch einmal auf die Hausnummer. Sie stimmte. Sie fuhr los, Daheim, in ihrem Zimmer, versuchte Beatrice, Ordnung in ihre wirren Gedanken zu bringen. Über diesem Versuch schlief sie ein.
    Am anderen Tag war Beatrice bemüht, ihren Vorgesetzten und die Kollegen nichts merken zu lassen. Sobald sich die Bürotür schloß, saß Beatrice bereits wieder in ihrem Wagen und fuhr die Quais entlang, hinunter zur Rue Cuvier – zur Caverne. Das Mädchen setzte sich an die Theke, bestellte ein Sandwich und zwei Tassen Kaffee und wartete. Sie wartete auf Grenelle.
    Eine Stunde verging. Beatrice wehrte einen aufdringlichen Studenten ab, hörte gedankenlos die Musik, trank einen dritten Kaffee und schreckte erst hoch, als die beiden Plätze neben ihr besetzt wurden. Sie sah den Mann von der Seite und wußte sofort, daß nur er es sein konnte. Neben ihm saß ein Mädchen – auch sie erkannte Beatrice nach der Schilderung, die ihr Nicholas von Claudine gegeben hatte.
    Beatrice winkte der Bedienung, zahlte und nahm dann ihren ganzen Mut zusammen, als sie sich an den Bärtigen wandte.
    »Entschuldigen Sie«, fing sie an, und der hagere Mann sah sie erstaunt an, »Ihr Name ist nicht zufällig Grenelle?«
    »Aber sicher«, sagte der Bärtige. Seine Augen brannten. »Was darf's denn sein?«
    »Ihnen ist sicher noch ein Student bekannt, den Sie hier getroffen haben. Nicholas Magat ist sein Name.«
    »Magat ... Magat ...«, sinnierte Grenelle. »Einen Augenblick: Groß, ziemlich schlank und ganz blond. Ist er das?«
    Beatrice schüttelte den Kopf. »Nein. Er sieht anders aus. Er hat mir von Ihnen erzählt. Er sagte, daß Sie eine Theorie über Träume ... er war, ich meine, er malte einige Bilder.«
    »Bedaure«, sagte Grenelle ernst. »Ich kenne niemanden, auf den Ihre Beschreibung zutrifft. Ich soll ihn hier kennengelernt haben?« Er wandte sich an das Mädchen neben ihm. »Kennen wir jemand, der Nicholas Magat heißt? Wir sollen ihn hier getroffen haben. Kennst du ihn?«
    »Nie gehört«, sagte das Mädchen, sah Beatrice schweigend an und schüttelte dann den Kopf. Beatrice entschuldigte sich noch einmal, dankte und verließ das Lokal. Wieder wußte sie nicht weiter. Die
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