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TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine
Autoren: Hans Kneifel
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fast das Herz.«
    »So oder ähnlich war mir zumute«, sagte Nicholas und wartete, bis Beatrice die Zigarette ausgedrückt hatte. Dann küßte er sie. Sie erwiderte den Kuß sofort. Es war fast Mitternacht, als sie sich voneinander verabschiedeten. Nicholas brachte das Mädchen mit dem Lift hinunter und trug die Bilder bis zum Wagen. Er gab Beatrice einen Schlüssel.
    »Damit kommst du in die Wohnung, wenn ich nicht da sein sollte«, sagte er. »Dein Händler heißt nicht zufällig Chevillard?«
    »Nein«, sagte sie. »Warum fragst du?«
    »Das ist der Kerl, der bisher meine Bilder unsigniert verkauft und vermutlich horrend daran verdient hat«, sagte Nicholas.
    »Adieu, Nicholas«, sagte Beatrice lächelnd und wendete den Fiat. Nicholas ging nachdenklich nach oben, zog sich aus und legte sich ins Bett. Jetzt, das wußte er mit felsenfester Überzeugung, hatte der Teufelskreis ein Ende. Nie wieder würde er träumen und Bilder malen, die er nicht entworfen hatte.
     
    *
     
    Die Feder kratzte über das Papier, als Nicholas die Quittung unterschrieb. Vor ihm lagen fünftausend Franc in Scheinen. Beatrice stand neben dem Tisch und steckte die Quittung ein, als die Tinte eingetrocknet war. Nicholas sah zu ihr auf.
    »Das wär's«, sagte sie zufrieden.
    »Große Steine rollen mir vom Herzen«, antwortete er und zog Beatrice zu sich herunter. Die kleine Leselampe brannte. Beatrice legte beide Arme um Nicholas' Hals und küßte ihn. Nicholas sah nichts anderes als die Linien ihres Gesichts. Er erkannte plötzlich, daß er rettungslos verliebt war. Er küßte das Mädchen auf die geschlossenen Augen.
    Beatrice öffnete die Augen und sah ihn ruhig an.
    »Ich muß jetzt gehen«, flüsterte sie. »Bist du sehr böse?«
    »Furchtbar«, sagte er. »Warum?«
    »Ich muß zwei Briefe übersetzen; die Kollegin ist in Urlaub. Wir müssen morgen die Antwort schreiben.«
    »Übersetzen ...«, stellte er fest. »Sprichst du andere Sprachen?«
    »Ja. Italienisch, Englisch und Deutsch.«
    »Kluges Mädchen!«
    »Es geht«, sagte Beatrice und küßte ihn noch einmal. Sie stand auf. Nicholas brachte sie zur Tür.
    »Ecke Quai d' Orsay und Rue Fabert ist ein Café, sehr gemütlich. Ich bin oft dort. Holst du mich morgen abend dort ab?«
    »Selbstverständlich«, sagte Nicholas. »Wann?«
    »Acht Uhr. Kommst du?«
    »Aber sicher.«
    »Adieu, Nicholas.«
    Sie nickte, als er die Lifttür öffnete. Auch diese Nacht schlief Nicholas ruhig und ohne Träume. Und er wachte auf, ohne daß es ihn zur Staffelei trieb. Der Wahnsinn fremder Eindrücke war vorbei. Nicholas fühlte sich wie ein Vogel, dem man die Freiheit geschenkt hatte.
     
    *
     
    Donnerstag, der 20, August. Paris, Quai d' Orsay, acht Uhr abends.
    Nicholas kam aus der Metrostation des Place de la Concorde. Er blieb auf der obersten Stufe stehen und zündete sich eine Zigarette an. Das Zündholz warf er achtlos zur Seite. Er blickte sich schnell um, ehe er die Straße überquerte. Um diese Zeit schienen alle Autofahrer rasen zu müssen.
    Magat ging schnell, aber keineswegs hastig auf der rechten Seite der Brücke über die Seine, blieb, nachdem er abgebogen war, auf der rechten Seite des Quai d' Orsay. Weit vor sich sah er die beleuchtete Spitze des Eiffelturms. Etwas über vierhundert Meter führte der Weg entlang des Flusses. Nicholas sah auf die Uhr und beschleunigte seine Schritte. Er wollte Beatrice nicht warten lassen.
    Jetzt überquerte er die Straße, die das rechte und das linke Seineufer über die Pont Alexandre III verband. Hinter ihm fluteten die endlosen gelben Lichterketten der Scheinwerfer vorbei. Nicholas ging weiter, bis er die gegenüberliegende Einmündung der Rue Fabert erkennen konnte. Das große Schaufenster des Cafés ging auf den Quai hinaus, dahinter bewegten sich einzelne Silhouetten. Einer dieser Schatten war Beatrice, das Mädchen, das er liebte.
    Nicholas blieb stehen, um eine Kolonne von Automobilen an sich vorbeifahren zu lassen. Er stand am Randstein, rechts bog die Straße auf die Pont des Invalides ein, nach links verlief sie gerade dem Seineufer entlang. Ihm fast gegenüber war die Einfahrt der Rue Fabert. Hinter dem Gittertüll des Vorhangs konnte Nicholas den Kopf des Mädchens erkennen; sie hatte ihn gesehen und winkte mit einer Zeitung. Der letzte Wagen der Kolonne blieb stehen und blinkte rechts. Er wollte abbiegen, sobald es der Verkehr zuließ, abbiegen auf die Brücke. Nicholas sah nach beiden Seiten, ehe er den Randstreifen verließ.
    Dann ging
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