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Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention

Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention

Titel: Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention
Autoren: Linda Maria Koldau
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kleinere, lokale Erdbeben präzise – nicht aber für die großen Erdbeben, die Tsunamis auslösen, denn für starke Erdbeben unterschätzt die Richterskala die Magnitude. Moderne seismologische Auswerteverfahren arbeiten dagegen mit dem seismischen Moment M 0 . Hier werden in Echtzeit seismische Werte verarbeitet, die rund um den Globus gemessen werden; aus ihnen wird die Momenten-Magnitude M W und daraus das seismische Moment M 0 ermittelt. Dieser Wert ist fast gänzlich unabhängig von der Tiefe und der Geometrie des Erdbebenherds. Bei Magnituden bis ca. 6 stimmen beide Skalen ungefähr miteinander überein (daher auch die häufige Nennung der Richterskala). Für größere Beben, die regionale und überregionale Tsunamis auslösen, ist jedoch eine Angabe des Werts nach der Momenten-Magnituden-Skala notwendig. – Beide Skalen sind logarithmisch, das heißt, die Erdbebenstärke (freigesetzte Energie) wächst exponentiell mit dem Skalenwert. 0,66 Skalenpunkte entsprechen dabei einer Verzehnfachung der Erdbebenstärke, zwei Skalenpunkte bedeuten die tausendfache Stärke.
    Oft entstehen im Kontaktbereich der Platten zudem sekundäre Störungen
(splay faults)
, die von der Hauptverwerfung abzweigen und bis hoch zum Ozeanboden reichen. Dadurch erhält der Tsunami von Anbeginn eine komplexe Gestalt, die sich nur schwer berechnen lässt. Grundsätzlich ist die Ausbreitungsrichtung eines durch Erdbeben ausgelösten Tsunamis zunächstabhängig von der Art und Geometrie der unterseeischen Verwerfung. Im Küstenbereich kommen dann die Faktoren der lokalen Morphologie hinzu.
    Unterseeisches Erdbeben und nachfolgender Tsunami:
(1) Subduktionsprozess vor einem Erdbeben.
(2) Spannungsaufbau: Die obere Platte wird mit hinabgezogen.
(3) Erdbeben: Die Platte schnappt zurück, die Spannung wird plötzlich abgebaut, dadurch wird ein Impuls auf die Wassersäule erzeugt.
(4) Der Impuls löst einen Tsunami aus.
    In seltenen Fällen werden Tsunamis durch Blattverschiebungserdbeben
(strike-slip fault)
ausgelöst. Hier schieben sich die Platten nicht untereinander, sondern seitlich aneinander entlang, wie dies bei der San-Andreas-Verwerfung in Kalifornien zu beobachten ist. Auch hier kann es gelegentlich zu einem vertikalen Versatz am Meeresboden kommen; 1987 und 1988 wurden in Alaska auf diese Weise Tsunamis ausgelöst. Die Erdbeben aber, die die stärksten Tsunamis verursachen, sind die durch Überschiebungen ausgelösten Erdbeben der Subduktionszonen – etwa das Erdbeben vor Chile 1960, das Sumatra-Andaman-Erdbeben von 2004 oder das Tōhoku-Erdbeben in Japan von 2011.
    Erstmals 1972 wurde in der Forschung zudem das Phänomen des «Tsunami-Erdbebens» beschrieben: Hiermit sind Erdbeben gemeint, die ein relativ langsames, dafür aber länger andauerndes Bruchverhalten aufweisen. Sie sind nicht so heftig wie die Erdbeben in Subduktionszonen mit ihrer abrupten Spannungsentladung, lösen aber Tsunamis mit möglicherweise besonders fataler Wirkung aus, da die seismischen Wellen kein starkes Beben bewirken und somit zunächst nicht als tsunamigen erscheinen. Durch das langsamere Bruchverhalten wird die Ausbreitungsrichtung und somit auch die Energie des Tsunamis jedoch stärker gebündelt als bei
thrust earthquakes
. An der Küste führt dies zu unerwartet hohen Tsunamiwellen, wie etwa 1992 an der Küste vor Nicaragua, wo nach einem Erdbeben von relativ geringer Magnitude Wellen mit bis zu 10 Metern Auflaufhöhe auftrafen.
    Ein aktuelles Forschungsgebiet stellt die Subduktion von Tiefseekuppen
(sea mounts)
dar. Werden in Subduktionszonen unterseeische Einzelberge unter die angrenzende Platte gezogen, können sie Erdbeben ungewöhnlich nahe am Tiefseegraben und in flacher Tiefe auslösen, die zudem ein flaches Bruchverhalten aufweisen. Dies sind Voraussetzungen, die die Entstehung von Tsunamis besonders befördern. Zudem kann ein Einzelberg,der allmählich unter einer Platte verschwindet, im Kollisionsbereich Hangrutschungen auslösen – dies ist, wenn es sich um große Gesteinsmassen handelt, wiederum ein wesentlicher Faktor für die Entstehung von Tsunamis.
    Grundsätzlich bedeutet ein unterseeisches Erdbeben nicht automatisch die Auslösung eines Tsunamis. Nur 10 bis 20 Prozent der Erdbeben über 6,5 auf der Richterskala verursachen Tsunamis. Auch bei stärkeren Erdbeben hat der Tsunami häufig nur regionale Auswirkungen; Teletsunamis sind relativ selten.
    Die Tsunamiforschung hat in den letzten Jahrzehnten differenzierte
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