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TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

Titel: TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt
Autoren: L. Sprague de Camp
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Tut mir wirklich leid.“
    „Hör zu, Tomasus. Wenn ich dir zeigen könnte, wie du in der halben Zeit deine Konten abrechnen kannst, würde dich das interessieren?“
    „Willst du damit sagen, daß du ein mathematisches Genie bist oder so etwas?“
    „Nein, aber ich habe ein System, das ich deine Schreiber lehren kann.“
    Tomasus schloß die Augen wie ein großer levantinischer Buddha.
    „Nun, wenn du nicht mehr als fünfzig Solidi willst …“
    „Jedes Geschäft ist riskant, das weißt du ja.“
    „Das ist ja das Unangenehme daran. Aber in Ordnung. Ich bin einverstanden, wenn dein Buchhaltungssystem wirklich so gut ist.“
    „Und wie steht es mit Zins?“ fragte Padway.
    „Drei Prozent.“
    Padway stutzte. Dann fragte er:
    „Drei Prozent per was?“
    „Per Monat natürlich.“
    „Zu viel.“
    „Nun, was hast du erwartet?“
    „In meinem Land empfindet man sechs Prozent per Jahr als ziemlich hoch.“
    „Du meinst, du hast erwartet, daß ich dir um diesen Zins Geld leihe? Junger Mann, du solltest zu den wilden Sachsen gehen und ihnen das Räuberhandwerk lehren. Aber du gefällst mir, also sage ich Fünfundzwanzig pro Jahr.“
    So ging das eine Weile weiter, bis man sich auf zehneinhalb Prozent jährlich einigte.
    Als Padway gehen wollte, hielt Tomasus ihn auf:
    „Würdest du mir deine Zähne zeigen? Auf mein Wort – ganz normale Menschenzähne. Ich hatte schon gedacht, es wären Haifischzähne. Aber meinetwegen. Diese sentimentale Großzügigkeit, die mich manchmal überfällt, wird mein Ruin sein. Und jetzt wollen wir uns dein Buchhaltungssystem ansehen.“
     
    *
     
    Eine Stunde darauf saßen drei mürrische Schreiber hinter ihren Pulten und musterten Padway mit einer Mischung aus Bewunderung, Staunen, Vorsicht und Haß. Padway hatte gerade eine lange Teilung mit arabischen Zahlen durchgeführt, während die drei Schreiber mit römischen Ziffern gerade angefangen hatten zu rechnen.
    Padway übersetzte sein Ergebnis in römische Ziffern zurück, schrieb es auf seine Tafel und reichte diese Tomasus.
    „Hier“, sagte er. „Einer der Leute soll die Gegenprobe machen.“
    Ein Schreiber übertrug die Ziffern auf seine Tafel und rechnete. Als er nach einer langen Pause das Ergebnis vorlegte, warf er seinen Griffel hin.
    „Dieser Mann muß ein Zauberer sein“, knurrte er. „Er rechnet im Kopf und schreibt diese dummen Figuren nur hin, um uns an der Nase herumzuführen.“
    „Gar nicht“, verneinte Padway höflich. „Ich kann euch das gleiche lehren.“
    „Was? Ich soll von einem Barbaren mit langen Hosen Lektionen nehmen? Ich …“, er wollte noch mehr sagen, aber Tomasus schnitt ihm das Wort ab und erklärte, er würde gefälligst das tun, was man ihm auftrüge.
    „Wirklich?“ schimpfte der Mann. „Ich bin freier römischer Bürger, und ich arbeite seit zwanzig Jahren als Buchhalter. Ich kenne mein Geschäft. Wenn du dieses heidnische System verwenden willst, dann kannst du dir einen griechischen Sklaven kaufen. Ich mache da nicht mit!“
    „Jetzt siehst du, was du getan hast!“ rief Tomasus, als der Schreiber seinen Umhang vom Haken genommen und würdevoll hinausstolziert war.
    „Jetzt muß ich einen anderen Mann einstellen und bei dieser Personalknappheit …“
    „Schon gut“, beruhigte ihn Padway. „Diese zwei Leute hier werden spielend mit der Arbeit fertig werden, sobald sie einmal die amerikanische Arithmetik gelernt haben. Und das ist noch nicht alles. Wir haben etwas, das wir doppelte Buchführung nennen. Damit kann man jeden Fehler herausfinden und …“
    „Eines nach dem anderen“, dämpfte Tomasus seinen Eifer. „Jetzt wollen wir zuerst einmal mit der Arithmetik anfangen. Zeige meinen Leuten, wie es gemacht wird. Nur als Beweis dafür, daß sie wirklich so viel taugt wie du behauptest.“
    „Also gut. Gib mir eine Tafel.“ Padway kratzte die Ziffern eins bis neun in das Wachs und erklärte sie.
    „Und jetzt“, fuhr er fort, „komme ich zum Wichtigsten.“ Er kritzelte einen Kreis. „Das ist die Ziffer, die Nichts bedeutet.“
    Der jüngere Schreiber kratzte sich am Kopf.
    „Du meinst ein Zeichen ohne Bedeutung? Was hat das für einen Sinn?“
    „Ich habe nicht gesagt ohne Bedeutung. Das bedeutet null – das, was übrig bleibt, wenn man zwei von zwei abzieht.“
    Der ältere Schreiber schüttelte verständnislos den Kopf. „Ich verstehe das nicht. Wozu braucht man ein Symbol für etwas, das gar nicht existiert?“
    „Ihr habt doch auch ein Wort dafür, nicht
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