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TS 96: Menschen auf fremden Sternen

TS 96: Menschen auf fremden Sternen

Titel: TS 96: Menschen auf fremden Sternen
Autoren: Chad Oliver
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verschlossen, sie mußte es bleiben, weil sie ja noch nicht existierte. Es gab nur einen Weg in die Vergangenheit, jeder Mensch reiste während seines Lebens in die Zukunft. Abkürzungen gab es nicht. Aber die Vergangenheit war existent und unauslöschlich. Die Gegenwart blieb ein flüchtiger Moment; kein Mensch konnte sie aufhalten. Ein Wort gehörte, kaum ausgesprochen, der Vergangenheit an.
    Und doch blieb der kurze Augenblick der Gegenwart entscheidend, denn ein Wechsel konnte nur in der Gegenwart stattfinden.
    Welche Folgen würde aber eine Änderung der Vergangenheit haben? Rom wäre nie entstanden, wenn es schon als winzige Ansiedlung vernichtet worden wäre. Die Gegenwart war auf der Existenz des Römischen Imperiums aufgebaut und konnte deshalb gar nicht anders sein. Wenn aber jemand auf die Idee käme, die Vergangenheit zu verändern, würde die Gegenwart unmöglich werden.
    Diese Gedanken schienen paradox zu sein, denn eine existierende Vergangenheit konnte unmöglich nachträglich verändert werden.
    Komputer gaben eine schlüssige Antwort.
    Stellen wir uns einen großen Baum mit vielen Ästen vor. Jeder Ast, jedes Blatt ist existent und unveränderlich; alles ist auf der Wurzel aufgebaut. Kommt nun ein Holzfäller und schlägt den Baum um, ruft er eine einschneidende Veränderung hervor. Der Baum stürzt um, die Blätter und Äste existieren noch, aber sie müssen absterben. Der abgeschlagene Baum ist von seiner Basis abgetrennt und deshalb nicht mehr lebensfähig.
    Der Stumpf hat noch seine Wurzeln und kann neue Triebe wachsen lassen. Ein neuer Baum wächst, aber es ist eben ein ganz anderes Gewächs. Der Baum ist von der gleichen Art, wächst aus der gleichen Basis, entwickelt sich aber völlig anders.
    Wer sein Nest im Geäst des Baumes hat, muß natürlich versuchen, den Holzfäller abzuhalten.
     
    *
     
    Wade blickte auf seine Uhr. Zwei Stunden waren vergangen. Wo war er, in welcher Zeit war er? Es spielte keine Rolle, denn sein Ziel stand fest. Er mußte an die Pferde denken und wurde nervös. Er wußte, daß er sich der Vergangenheit anpassen mußte und nichts verändern durfte, wollte er die Zukunft nicht gefährden. Die Zukunft war in diesem Falle kein abstrakter Begriff, sondern sein eigenes Leben. Im Jahre 1445 durfte es keine Pferde auf dem amerikanischen Kontinent geben. Sie waren ausgestorben und sollten erst von den Spaniern nach Amerika gebracht werden.
    Das Pferd wurde in diesem Falle zu einem Kernproblem. Die Bewohner des amerikanischen Kontinents durften alle möglichen Haustiere haben, aber keine Pferde. Die Existenz der Pferde zu dieser Zeit würde den Lauf der Entwicklung entscheidend beeinflussen. Die Spanier hatten ihre Siege auf Grund der Überlegenheit errungen, die ihnen die Pferde verliehen. Das Vorhandensein von Pferden vor ihrer Landung würde alles verändern. Das durfte nicht geschehen, denn so einschneidende Veränderungen würden die Zukunft, aus der Wade kam, unmöglich machen.
    Daniel Hughes mußte zur Strecke gebracht werden, denn er war im Besitz der Pferde und somit eine Gefahr.
    Wade Dryden sah ein grünes Licht und stand auf. Er öffnete die Tür und stieg aus. Mit einem einzigen Schritt gelangte er in eine ganz andere Welt. Er befand sich nun im Reiche der Azteken.
     
    *
     
    Dryden fand sich unter einer Baumgruppe südlich von Coyoacan. Die Luft war warm, das gleißende Sonnenlicht wurde von den grünen Blättern gefiltert. Vom See drang Feuchtigkeit herüber. Dryden spürte, daß es gegen Abend empfindlich kalt werden würde.
    Auf dem Wege nach Coyoacan begegneten ihm viele Menschen, doch da er die Robe eines Priesters trug, verneigten sie sich ehrfürchtig und machten Platz. Seine Robe verlieh ihm Respekt und Immunität.
    Er ging erst am Seeufer entlang, wo primitive Hütten standen. Etwas weiter entfernt sah er größere und massivere Häuser, dahinter die gezackten Krater hoher Vulkane. Die Menge wurde zahlreicher; Händler kamen mit Booten und luden ihre Frachten aus. Dryden wußte, daß in dem Ort vor ihm mehr als zweihunderttausend Menschen lebten. Aber in der ganzen Stadt gab es keinen einzigen Wagen und kein Zugtier, denn die Straßen waren enge Kanäle, die mit flachen Booten befahren wurden.
    Er sah Priester, die ihn musterten, aber nicht ansprachen. Die Stadt war groß, so daß nicht jeder jeden kennen konnte. Dryden wanderte durch das eigenartige Getriebe und roch den fremdartigen Duft der Stadt. Auf einem Gerüst vor einem Tempel sah er
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