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TS 96: Menschen auf fremden Sternen

TS 96: Menschen auf fremden Sternen

Titel: TS 96: Menschen auf fremden Sternen
Autoren: Chad Oliver
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den Dörfern und Städten gegeben. Die einzelnen Ortschaften und Provinzen konnten nun diese Unterschiede noch verstärken. Erst die Idee deines Vaters hat die Schwächen dieser unterschiedlichen Systeme aufgezeigt. Mit den Anfängen in Natchezville bin ich einigermaßen vertraut. Aber was kam danach? Du hast doch alles miterlebt.“
     
    *
     
    „Mußt du unbedingt hier unter meiner Hängematte spielen?“ knurrte George seinen Sohn an.
    „Es regnet“, antwortete Bob lakonisch.
    „Es regnet immer“, sagte George brummig. „Es regnet seit Millionen von Jahren.“
    „Laß den Jungen doch spielen“, mischte sich Lois ein.
    „Wie soll ich dabei arbeiten?“ George brauste auf, wenn seine Gedanken gestört wurden. Er benahm sich dann oft unbeherrscht und unvernünftig. Er konnte es aber nicht ausstehen, daß seine Frau ihn immer wieder aus seiner Gedankenwelt riß, weil er dann nur schwer den Anschluß finden konnte. Es war ein sich stets wiederholender Ärger, weil sie seine Abstraktionen nicht begriff und er immer mit einem gewaltigen Plumps aus seinen Gedankenwolken auf den Boden der Tatsachen fiel.
    „Komm, Bob, du kannst den Hubschrauber holen. Wir gehen einkaufen“, sagte Lois seufzend.
    „Kann ich ihn die ganze Zeit steuern?“
    „Natürlich.“ Lois fühlte sich nicht wohl dabei. Sie war aber bemüht, ihrem Mann Ruhe zu verschaffen. George hörte die beiden zum Dach hinaufgehen und atmete auf.
    Seit der Wahl in Natchezville waren zehn Jahre vergangen. Seine Ideen hatten sich ausgebreitet. Er schwang sich aus der Hängematte, machte ein paar Notizen und schaltete die Verbindung zu Nolan ein.
    „Hallo, George!“ rief Nolan und gab sich keine Mühe, die Unehrlichkeit seiner herzlichen Begrüßung zu verbergen. „Gibt’s was Neues?“
    „Das möchte ich von dir wissen.“
    „Dein Vollkreissystem macht sich. Es hat schon drei weitere Wahlen gewonnen. Wie mir scheint, wird die Sache jetzt endlich in Schwung kommen.“
    „Die Leute sind eben damit zufrieden.“
    „Mehr als das.“ Nolan setzte seine Brille ab. „Du hast alles über den Haufen geworfen. Überall wollen die Leute dein System haben. Die Unterschiede werden bald verschwinden. Dein Vollkreissystem ist wirklich eine große Sache.“
    „Ist das so schlimm? Ich bin kein Revolutionär, das weißt du. Ich habe einen Vorschlag gemacht, und die Leute sind damit einverstanden.“
    „Dein System ist einfach zu gut. Es enthält alles, was sich die Leute wünschen, sogar die Freiheit, sich nicht danach zu richten.“
    „Es ist miserable Routine geworden“, knurrte George. „Ich suche seit zehn Jahren nach einer neuen Idee, aber ich kann die alte nicht übertrumpfen. Wie soll das enden, Nolan?“
    Nolan sah ihn ernst an. „Ich habe den Verdacht, dieses System wird die Welt erobern, George.“
    „Mein Gott!“
    „Zu spät, mein Freund! Die Menschen hatten nichts weiter zu tun, als neue Sozialsysteme zu finden. Jetzt haben sie es.“
    „Und überhaupt nichts mehr zu tun“, brummte George.
    Er schaltete das Gerät ab und legte sich wieder in die schaukelnde Hängematte. Er schloß die Augen, konnte sich aber nicht entspannen.
    Die Entwicklung war vorgezeichnet. Er sah alles mit erschreckender Klarheit. Es ging immer um die Auswahl; der Beste blieb Sieger. Nachdem alle anderen Kampfmöglichkeiten ausgeschlossen worden waren, hatten sich die Sozialsysteme bekämpft, nicht mit Waffen, sondern ausschließlich mit Ideen.
    Nun gab es ein allen anderen überlegenes System, das Vollkreissystem. Es würde sich ausbreiten, alles uniform machen.
    „Ich bin die Achillesferse“, stöhnte er. „Ich habe das Ende einer Ära eingeleitet.“
    Die Stille machte ihn nervös. Er stand wieder auf, zog sich einen Regenmantel an und ging auf die Straße. Ziellos irrte erdurch die Straßen, sah und hörte nichts. Stundenlang lief er umher, ohne einen Menschen zu treffen.
    Dann sah er noch einen einsamen Wanderer. Der Mann kam näher und blieb stehen. Es war Henry Lloyd. Noch vor wenigen Jahren war er der am meisten gefeierte Erfinder neuer Systeme gewesen. Lloyd sah alt und müde aus.
    „Freut mich, dich zu sehen, Henry!“ rief George.
    Lloyd starrte ihn eisig an. „Monopolist“, sagte er nur und ging weiter.
    George Sage sah ihm eine Weile nach und senkte dann beschämt den Kopf. Langsam wanderte er weiter durch den Regen, bis er mehr zufällig als gewollt wieder vor seinem Haus stand. Er war nach Hause gegangen, damit sich seine Frau keine Sorgen um ihn zu
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